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Der Italiener in mir

Gestern war ein ruhiger Tag. Der bewölkte Himmel hatte mich davon abgehalten, ins Schwimmbad zu fahren. Ich würde gerne ein bisschen mehr Kultur machen, aber die unendlich langen Schlangen vor den Museen und Palästen halten mich davon ab. Teilweise muss man bis zu vier Stunden (Uffizien) warten, bis man hinein kommt und selbst in jeder kleinsten Kirche noch muss man Eintritt zahlen. Und da spielt es auch keine Rolle, ob man morgens schon um acht da ist, oder erst nachmittags um zwei geht. Die Florentiner sagen, dass das wirklich das ganze Jahr über so ist, und man Geduld haben muss, wenn man sich etwas angucken will. Na, ich habe immerhin schon die Boboli-Gärten, ein paar Kirchen und die Villa Stibbert gesehen. Und die anderen Gebäude sind von außen ja auch schon ziemlich beeindruckend.

Gestern bin ich jedenfalls zu Hause geblieben, habe ein bisschen am Computer geschrieben und mein gemütliches Bett ausgiebig mit dem „Rad der Zeit“ und meinem Rollenspiel genossen. Abends waren wir dann wie angekündigt Menas Geburtstag feiern. Wir waren mit ein paar ihrer Freunde außerhalb von Florenz in einem Land-Gasthaus zur Cena. Eigentlich hatten wir draußen einen Tisch mit Florenz-Blick reserviert, aber die Italiener hatten Angst, dass es regnen könnte. Es waren ja auch ein paar Wolken am Himmel. Und Jacken hatten sie angezogen, denn außerhalb der Stadt ist es ja viel kühler, vor allem ein bisschen auf den Hügeln. Wir hatten ja auch nur noch 22 oder 23 Grad, das war schon sehr unangenehm… Ne ne, die Italiener, was soll ich dazu sagen?

Ich merke auf jeden Fall, dass ich immer Italienischer werde! Und woran? Am Essen natürlich. Ich trinke viel eher Wein als Bier, ich esse Brot während der Mahlzeit dazu, und mein Körper verlangt seit neuestem nach einem Teller Nudeln immer nach einem zweiten Gang… Sehr schockierend, das Ganze. Ich bin doch erst drei Wochen hier. Aber sein Blut kann man nicht verleugnen.

Nach der ausgiebigen Cena fuhren mich Mena und Lorenzo noch in die Stadt zum Fest der Associazione von Francesco. Das fand dank des regenfreien Abends diesmal komplett im Freien statt, und so konnten die Bands auch alle auftreten. Sie machten sehr stimmungsvolle Tanzmusik mit spanischen und arabischen Klängen, aber italienischen Texten. Unglaublich aber war: Die Italiener tanzten sogar. Das ist wirklich eher ungewöhnlich hier!

Danach ab ins Bett und heute wohl noch mal ins Schwimmbad. Die Wolken sind weg und wir haben wieder 35 Grad mit Sonnenschein. Sehr schön!

Und heute Abend heißt es wieder: „Auf geht’s Deutschland schieß ein Tor – schieß ein Tor – schieß ein To-o-or…“

Piove

„Piove – senti come piove – Madonna come piove – Senti come viene giù, uh.” (Jovanotti)

Zwei Schlagzeilen heute. Erstens: Es hat geregnet! Und gewittert! Aber frag nicht nach Sonnenschein! Die ganze Nacht durch, und jetzt ist der ganze Himmel noch bewölkt und man hört den fernen Donner-Groll. Dafür hat es sich deutlich abgekühlt. Heute hatten wir nur 32 Grad und einen angenehm kühlen Wind. Wenn jetzt die Sonne wieder rauskommen würde, wäre es das perfekte Alltags-Wetter.

Zweitens: Heute hat meine letzte Woche hier angefangen. Ich kann es noch gar nicht glauben, dass ich wieder nach Hause komme. Es ist noch so fern, aber ich bin trotzdem gespannt, euch alle wieder zu sehen. Heute Abend kommen mein Vater und meine Schwester in die Toskana und wahrscheinlich sehen wir uns für die letzten beiden Final-Spiele der WM und natürlich am Mittwoch, wenn die Maurizia ihren Geburtstag feiert.

Ach ja: Heute hat die Mena Geburtstag. Aber sie musste trotzdem zur Arbeit. Sie hat es sich so ausgesucht. Bei ihr kann jeder machen was er will. Sie kann nichts dafür. Der arme Hai. (frei nach Helge Schneider) Wir werden nachher schön essen gehen, und dann werde ich wieder zum Fest von Francescos Verein gehen.

Das Fest. Gestern hat es angefangen. Ich hab vorher den ganzen Tag zu Hause verbracht. Es waren immer noch die Nachwirkungen der durchzechten Nacht. Dann bin ich mit Francesco in den Coop gefahren, um 10 Wassermelonen und allerlei Plastik-Geschirr und Besteck zu kaufen. Also, in diesem Verein sind unter anderem auch sehr alternative Leute. Als wir mit unserer Ware auf der Piazza ankamen, waren zwei von ihnen gerade dabei, von einem möglichen ökologischen Leben in Florenz zu erzählen. Man solle halt nicht nur im Coop einkaufen gehen, sondern die Bio-Bauern in der Toskana unterstützen, um die Natur nachhaltig… usw… Bitte? Was ist das für ein Widerspruch! Wir veranstalten ein Fest, kaufen die Wassermelonen beim Coop garantiert Nicht-Bio und essen unser Essen mit Plastik-Gabeln aus Einweg-Geschirr? Na ja, wenigstens bekam man einen Nachlass auf die Getränke, wenn man seinen Becher noch einmal benutzte…

Das Essen war super. Es waren ca. 40 Leute aus dem Verein da, und jeder hatte was fürs Buffet vorbereitet und mitgebracht. (Francesco hatte zwei Schüsseln kalte Pasta mit Tomaten, frischem Käse und Pesto gemacht) Dazu noch mal so viele Gäste, und wir konnten uns richtig den Bauch voll schlagen. Und dann wurde zu Live-Musik getanzt bis um Mitternacht das Gewitter einsetzte. Schnell räumten wir den Platz, brachten die Elektronik in die Vereinsräume und warteten, bis der erste Schwall vorüber war. Dann beschallten und beleuchteten die DJs (die auch schon bei diesem Aperitivo und beim Halbfinale aufgelegt hatten) die Piazza aus einem Fenster heraus, und wir tanzten auf dem nassen Pflaster. Das schöne war, das es uns nichts ausmachte, dass wir pitschnass waren, weil es ja trotzdem warm war. Selbst um sechs Uhr heute Morgen, als ich zu Hause ankam, hatten wir bestimmt noch 25 Grad. Aber die Klamotten konnte ich sofort in die Waschmaschine schmeißen…

Ein volles Wochenende

Was für ein Wochenende! Ich bin kaum zur Ruhe gekommen. Aber es war ja auch voller Erlebnisse! Und ich musste euch leider ein bisschen im Stich lassen. Aber ich habe gehört, dass der Sommer sich in Deutschland endlich breit gemacht hat, und da hattet ihr an diesem Super-Sonne-Wochenende sicherlich auch besseres zu tun, als vor dem Computer zu hocken und von der Sonne in Italien zu lesen…

Am Freitag hat es sich also bewahrheitet: Wir fahren nach Berlin. Also Italien oder Deutschland, das steht schon mal fest. Und wo wir schon so gut spielen, werden wir auch Weltmeister! Aber ich muss ja ganz ehrlich sagen, ich glaube Deutschland macht es. Auch wenn sie sich gegen Argentinien so ausgepowert haben, und Italien frisch aufgespielt hat gegen die Ukraine; „wir“ haben den Heimvorteil. Ja, und so habe ich also erst mit den Leuten von der Sprachschule das Deutschland-Spiel von einem schattigen Plätzchen aus auf meiner geliebten Großleinwand angeschaut und habe fast einen Herzinfarkt erlitten, so spannend war die Partie. Um uns herum lauter Argentinien-Sympathisanten, die nach dem 1:0 laut Stimmung gegen Deutschland gemacht haben, und die anderen Deutschen in der prallen Sonne, die lautstark dagegen gehalten haben. Dann das 1:1, wunderschön durch Klose, und es war totenstill um uns herum. (Ich hatte vorher noch zu meiner Nachbarin gesagt: „Die wissen halt noch nicht, dass sie verlieren werden.“) Und dann Super-Lehmann mit zwei gehaltenen Elfmetern! Was für eine Spannung auf dem Feld. Danach gab’s leider nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch bei uns ein paar randalierende Argentinier, die sich aber zum Glück recht schnell beruhigten. Dafür aber umso größere Freude auf unserer Seite. Mit Fahnen und Tröten und Gesang! Lukas Podolski! Und Deutschland – Deutschland! Sind doch einige Deutsche hier in Florenz…

Plötzlich merkten wir, dass um uns herum Decken ausgebreitet und Plätze reserviert wurden. Na klar, war ja auch schon fast acht, und das Italien-Spiel fing um neun an. Ich hatte zum Glück auch zwei Handtücher dabei, und so reservierten wir auch unseren Platz, während ich mit einer Süd-deutschen Pizza und Bier holen ging. Es gesellten sich noch ein paar Florentinische Bekannte von mir dazu, und wir sahen ein schönes Spiel auf Italienischer Seite. Danach ging hier richtig die Post ab! So viele Menschen! Ich weiß gar nicht, wo die alle herkamen. Die ganze Stadt war voll von feiernden Menschen. Wir zogen dann noch in ein Pub und tranken bis in den frühen Morgen auf unsere beiden erfolgreichen Teams. (Ich glaube, die Kirsten hat auch ein bisschen was fürs Internet-Radio aufgenommen. Vielleicht kann man uns ja jubeln hören… Wie gesagt: www.kiza.de)

Samstag holte mich dann Francesco aus meinem wohlverdienten Schlaf. Er rief gegen Elf an und fragte, ob ich Lust auf Schwimmbad hätte. Er wär gegen eins da. Ok, ich schmiss mich noch mal ins Bett und erwachte um eins. Mist, wollte doch schon da sein… Also schnell Tasche packen und ab in den Bus. Dort erhielt ich dann eine SMS von Francesco, dass es etwas später werden würde, er wär so gegen zwei erst da… Sehr sympathisch dieser Mann! So war ich sogar kurz vor ihm da und konnte mir noch ein Panino und ein Bier an der Bar holen. Wir waren zur Abwechslung mal wieder nur zu zweit, und so konnten wir ganz ungestört ein paar Männergespräche führen. Die wichtigen Dinge halt: Politik, Der Sinn des Lebens, Trinken, Frauen, Autos usw… und Giuglia natürlich! Was für eine Tele-Novelle! Jeden Tag hört es spannend auf, und man muss am nächsten Tag wieder einschalten, um nichts zu verpassen!

Ich musste schon relativ früh wieder nach Haus, denn wir hatten noch eine zweite Überraschung für meine Nonna. Sie hatte uns alle am Samstag zur Cena eingeladen (wegen ihrem Geburtstag), aber wir haben alle gesagt, wir hätten was zu tun und könnten leider nicht. Und dann als sie Samstag in der Abendmesse war, sind wir mit dem Abendessen aus Florenz gekommen, haben alles bei der Maurizia aufgebaut und ihr eine Überraschungs-Cena bereitet. So ist sie, meine Familie. Immer für einen Spaß zu haben. Dadurch habe ich leider den schönen Sieg der Portugiesen verpasst. Na wenigstens haben wir uns noch anschauen können, wie Henry die Brasilianer aus der WM geschossen hat! Andrea und ich haben das Spiel auf der Playstation nachgespielt, und haben mit Frankreich im Elfmeterschießen gewonnen. Also eine eindeutige Sache! Ich tippe auf das Final-Spiel Deutschland gegen Frankreich, und da wird es 2:0 für Deutschland ausgehen. (Mein erster WM-Tipp)

Danach (wieder in Florenz) bin ich mit ein paar Leuten in eine Tanzbar namens „Slowly“ gegangen. Endlich mal House-Musik und Cocktails! Sogar zu einem moderaten Preis (je 7Euro) – für Florentiner Verhältnisse. Hier in Florenz machen sie angeblich den besten Erdbeer-Caipiroska. Er ist wirklich gut. Nicht zu süß und nicht zu bitter. Eine gute Mischung. Da war dann noch ein Florentiner dabei, der Buch über die Mädchen führt, die er schon im Bett hatte. Mit Foto, Beschreibung und Sätzen wie „Die Beste“ oder „Konnte gut blasen“ Und dieses Buch zeigt er dann den Mädchen, die er kennen lernt… Ein sehr verrückter Kerl! Und da sag noch jemand, ich wäre durchgedreht!

Heute hab ich wieder lang geschlafen. Wie ihr vielleicht gemerkt habt, schaffe ich es wenigstens am Wochenende meinen inneren Wecker zu ignorieren, und bis mittags zu schlafen. Mena und Lorenzo waren wieder bei seiner Mutter, und ich hab wie letzte Woche einen Gammel-Sonntag gemacht. Dachte ich erst! Ich war keine Stunde mit Musik, Buch und Schreibblock im Garten der Villa Stibbert, da klingelte mein Handy. Ich hatte irgendwann mal erwähnt, dass ich das Ding loswerden wollte, oder? Ja, ich will immer noch! Es war – wer sonst? – Francesco, und fragte, ob ich mit ihm, Giuglia – wem sonst? – und ihren beiden Cousinen aus Kanada auf ein Jazz-Konzert in einem Amphitheater in Fiesole fahren möchte. Ein schöner Mix: Zwei Italiener, die Italienisch, Deutsch und ein bisschen Englisch können, ein Halb-Italiener, der Deutsch, Englisch und Italienisch kann, und zwei Kanadierinnen, die Englisch, Französisch und ein bisschen Italienisch können. Es gab dann immer so schöne Sätze wie: „Andiamo in una Gelateria, um ein Ice-Cream zu holen.“

Ach so, das Konzert war fantastisch! Fiesole liegt in den Bergen über Florenz mit 1A-Panoramablick über die Stadt! Der Klang im Amphitheater war einzigartig, und die Musiker – eine Dreier-Combo bestehend aus einem italienischen Pianisten und zwei Dänen an Kontrabass und Schlagzeug – waren verdammt gut, mit klasse Musik und lustiger Show. Vor allem wenn der Italiener versuchte, einen Dänischen Titel anzusagen… Danach holten wir uns noch ein Eis in Florenz. Leider nicht bei De Medici – dort gibt es das beste Eis Florenzes, aber die hatten schon zu – sondern hier bei mir um die Ecke. Francesco brachte erst mich und dann die beiden Cousinen nach Hause. Was jetzt gerade passiert werde ich dann morgen erfahren. Die Tele-Novelle geht weiter!

So far – gute Nacht und eine sonnige Woche. Hab euch alle lieb!

Omas Geburtstag

Eigentlich wollte ich heute schreiben: “Endlich! Es ist etwas kühler geworden…“ Aber es ist nicht kühler geworden, obwohl sie für heute fünf Grad weniger angesagt hatten. Vielleicht in Skandinavien, aber nicht hier! Eben hatten wir 36 Grad auf der Terrasse und nur ein paar winzig kleine weiße Streifen am Himmel. Auf dem Weg zum superottica (es heißt nämlich ottica, obwohl es ein Mann ist, und man durchaus ottico sagen kann) habe ich mein Hemd mal wieder so was von durchgeschwitzt, und der ist fünf Gehminuten von hier entfernt! Apropos Fotos (ich benutze diese Worte häufig)! Am Mittwoch sollten sie fertig sein, aber da waren sie noch in der Mache, ich solle doch am Donnerstagabend noch mal vorbeischauen. Gestern war ich aber nicht da, also bin ich eben noch mal hin. Sie haben da wohl ein Problem mit der Maschine, es täte ihnen Leid, aber vielleicht heute Nachmittag. Ich glaube, ich werde nächste Woche Freitag noch mal dahin gehen. Dann sind sie auch wirklich fertig, zur Not muss sie mir die Mena nach Deutschland schicken…

Gestern hatte meine Nonna Geburtstag. Sie ist 82 Jahre alt geworden. Aber bevor wir zu ihr gefahren sind, war ich erst mit der Mena beim Zahnarzt. Sie musste sowieso da hin, und mir ist vor ein paar Tagen ein kleines Stückchen von einem Weisheitszahn abgebrochen. Nicht im Suff, auch keine Schlägerei, ehrlich gesagt habe ich es erst beim Essen gemerkt, als ich mir mit der Zunge über die Zähne gegangen bin. Er sagte, es wäre nicht schlimm, ich könne also mit der Behandlung warten, bis ich wieder zurück bin. Er hat mir dann trotzdem etwas Zement drauf getan, damit sich da kein Karies bildet und ich mich an der spitzen Kante nicht verletze.

Dann bin ich also mit der Mena zusammen mit dem Zug zu meiner Oma nach Arrezzo (etwa 90km südöstlich von hier) gefahren. Dort hatten wir erstmal einen Caffè bei meiner Tante und ihrer Familie, die zwei Häuser weiter wohnen. Diesmal war auch mein Cousin Marco da, der aber ziemlich schnell wieder verschwand, weil er noch ein Date hatte. Mit den Anderen ging ich dann rüber zum Gratulieren. Ich habe sie wirklich sehr überraschen können. Mena hatte ihr nämlich nicht gesagt, dass ich mitkommen würde, aber sie hat sich natürlich riesig gefreut, dass ich da war. Es gab Eis und Limo und Gesang und viel zu erzählen und etwas Taschengeld für die Zeugnisse meiner Cousins, und weil sie gerade dabei war auch etwas für mein Diplom. Wie Omas halt so sind…

Zum Abendessen fuhren wir wieder nach Hause. Dort angekommen warf ich mich erstmal fix und fertig aufs Bett. Der ständige Klima-Wechsel hatte mich fertig gemacht. (draußen 40 Grad, beim Zahnarzt Klimaanlage, wieder raus, im Zug Klimaanlage, raus, bei Maurizia Klimaanlage, raus, bei meiner Oma Ventilator, raus, Zug, raus, klimatisierter Bus, raus) Nach dem Essen haben wir dann zu dritt einen Film (Il Santo – The Saint) geguckt. Sehr amerikanisch, aber genau richtig seicht, um nicht zu viel denken zu müssen. Ich glaube, ich fange bald mal mit nem italienischen Buch an, wo ich die Filme alle so gut verstehe.

So, und jetzt werde ich mich mal um eure Emails kümmern. Sie stauen sich mal wieder in meinem Postfach…

Halbzeit

Halbzeit! Was soll ich sagen? Wie immer vergeht die Zeit viel zu schnell. Dieses Leben hier gefällt mir sehr gut, wobei ich natürlich bedenken muss, dass ich hier weder arbeite noch einen eigenen Haushalt führen muss. Ich helfe schon viel mit, wasche meine Wäsche, spüle mein Geschirr, räume mein Zimmer auf usw., aber die Mena kocht und einmal die Woche kommt eine Putzfrau und putzt die ganze Wohnung. Trotzdem merke ich, dass mir die Distanz sehr gut tut. Die letzten Monate (und vielleicht auch Jahre) waren sehr voll; Beziehung, Freunde, Studium, Arbeit und viel mehr, da bin ich selber oft viel zu kurz gekommen. Jetzt blühe ich richtig auf und lebe! Und wenn ich nur mal ein paar Stunden irgendwo im Schatten liege und ein Buch lese, oder am Rollenspiel rum feile, ist es für mich eine wahre Energiequelle. Das hätte ich nicht so stark erwartet. Vielleicht sollte ich das regelmäßig machen, damit ich immer wieder volle Reserven hab!

Gestern habe ich einen puren WM-Tag eingelegt. Diese Woche versuche ich mal, mit Hilfe meines Weckers morgens schon um halb neun aufzustehen, um ein bisschen mehr vom Tag zu haben, weil man mittags ja leider nichts machen kann (außer in der Wohnung lesen und schreiben). Aber bisher hatte ich damit noch keinen Erfolg. Weder gestern noch heute konnte ich mich aus dem Bett quälen. Ich werde es weiter probieren, aber ich fürchte, es wird bei zwanzig nach zehn bleiben!

Aber weiter im Text: Nach einem gemütlichen Mittagessen, ein bisschen Körperpflege und kurzem Besuch im Internet bin ich mit Rucksack in die Stadt gefahren, um Brasilien zu gucken. Für die Großleinwand war’s entschieden zu heiß, deswegen bin ich in eine italienische Bar gegangen, wo gleichermaßen viel Brasilianer und Ghanaer saßen. Mittlerweile hat fast jede Bar SKY im Programm (man kann es auch nur für einzelne Spiele buchen) und so ist die Auswahl etwas größer. Auch ein paar Leinwände sind dazu gekommen. Die Stimmung war nett, aber natürlich nicht mit der Leinwand vergleichbar. Das Spiel war auch schön, aber ein bisschen zu einseitig für meinen Geschmack, obwohl die Afrikaner sehr gut mitgehalten haben, das mussten selbst die Brasilianer zugeben.

Danach bin ich für ein bisschen Sonne in die Cascine gelaufen, und hab am Arno-Ufer gelesen und geschrieben, und meine beiden Handtücher gegen die Ameisen verteidigt. Dann habe ich mir in der Nähe eine leckere Pizza Margherita geholt und bin mit dem Bus zur Leinwand gefahren. Was für eine Stimmung, wie viele Menschen. Ich würde fast behaupten, dass mehr Leute da waren, als beim Italien-Spiel, oder sie waren nur lauter. Es waren fifty-fifty Spanien- und Frankreich-Tifosi da, und wir erlebten eine sehr packende und bis zum Schluss spannende Partie mit einem wunderschönen Tor von Zidane. Ich traf mal wieder auf eine Gruppe Amerikaner – was auch sonst – und wir tranken noch ein paar Bier, bis sie mit ihrem Bus ins Hotel fuhren. Danach noch ein gemütlicher Fußmarsch nach Hause, ein Stündchen Buch lesen mit Enigma-Musik und gegen zwei schön in die Heia, um mal früh aufstehen zu können, aber wie gesagt: no chance!

Villa Stibbert

Gestern habe ich endlich mal ein bisschen Kultur gemacht. Ich habe mir die Villa von Herrn Stibbert – einem Multimillionär und Sammler Ende des 19.Jhd. – angeschaut. Er hat dort eine beeindruckend große Waffen- und Rüstungssammlung, sowie Porzellan aus vielen Teilen der Erde und mehreren Zeitepochen angesammelt. Außerdem wurde ein großer Teil der Villa so erhalten, wie sie nach seinem Tod irgendwann um die Jahrhundertwende herum ausgesehen hat. Und zu guter Letzt befindet sich dort momentan auch eine Wanderausstellung mit Bildern und anderen Kunstwerken von der jetzigen Königin Maria Margarete II von Dänemark.

Ich bin wie immer um halb elf aus dem Bett, hab allerdings nicht gefrühstückt, weil ich noch keinen Hunger hatte und bin dann recht bald zur Villa Stibbert gezogen, weil sie nur bis um zwei auf hat, aber sie ist ja auch hier direkt um die Ecke. Ich war scheinbar der einzige Besucher um diese Zeit, und so hatte ich immer eine persönliche Begleitung dabei – man wird dort immer von Raum zu Raum geführt, was natürlich sehr gut ist, weil man immer mal wieder nachfragen kann, was dieses und jenes bedeutet. Also, die Waffen und Rüstungen haben mich natürlich am meisten interessiert. Dieser Stibbert hat echt nen ganzen Haufen Metall zusammengetragen…

Ich glaube Robert Jordan – der Autor vom Rad der Zeit – war hier, bevor er seine Bücher geschrieben hat. Mich hat es auf jeden Fall fürs Rollenspiel mächtig inspiriert. Also, wer auf Mittelalter steht, sollte unbedingt mal in die Toskana fahren, und sich diese Villa Stibbert und das mittelalterliche Foltermuseum in S. Gimminiano (oder so ähnlich) anschauen! Das Porzellan war zwar ganz nett, aber nicht sonderlich erregend. Der Originalteil der Villa dafür umso interessanter. Der Stibbert muss echt ein Vermögen besessen haben, so prunkvoll wie er gelebt hat. Aber sein Schlafzimmer war neben dem von seiner Mutter. Und verheiratet war er auch nicht… Dafür gibt es jede Menge Portraits von seiner Mutter und seinen beiden Schwestern im Haus verteilt. Wer weiß, was sich da abgespielt hat… Aufgrund meiner persönlichen Begleitung konnte ich leider nichts fotografieren, aber ich habe ein paar Bilder vom Prospekt eingescannt. Und nachher bin ich noch im riesigen Garten der Villa – heute ein öffentlicher Park – spazieren gegangen und hab da ein paar Fotos geschossen.

Ja, und den Film hab ich gleich am Nachmittag zum superottico zum Entwickeln gebracht und hab mir auch direkt nen neuen Film gekauft. Die werden morgen fertig sein. Und davor hab ich mir zu Hause ein paar äußerst gut schmeckende Ravioli mit Ricotta-Spinat-Füllung und Schinken-Mozzarella-Sahne-Sauce gemacht.

Danach ging’s zum Spiel. Was für eine miese Partie! Und was für ein glückliches Ende… Wir haben echt bis zur letzten Minute gezittert, aber dann wurde noch lange gefeiert, mit Wein, Bier und langen Auto-Korsos. Und das alles bei unmenschlichen 35 Grad im Schatten (um 19Uhr!). Danach schnell nach Hause, duschen, umziehen, lecker Hähnchen essen und ab zum nächsten Spiel zur Großleinwand düsen. Leider ist die Schweiz rausgeflogen. Was wäre das für ein schönes Spiel gewesen: Italien gegen die Schweiz. Aber jetzt putzen wir am Freitag die Ukraine und die anderen wir putzen hoffentlich Argentinien, damit Deutschland und Italien im Halbfinale und einer von den Beiden im Finale steht! Aber wenn man die beiden Teams so vergleicht, spielen wir (haha, kleiner Scherz, ich meine aber Deutschland) besser als wir (Italien). Deswegen werden wir auch Weltmeister!

Francesco ist jetzt endgültig nicht mehr mit Giuglia zusammen. Das hat er mir heute Nacht erzählt. Aber heute hat er trotzdem keine Zeit. Dafür fahren wir morgen wieder ins Schwimmbad. Sehr schön. Und gleich haut Ghana Brasilien raus und danach die Spanier die Franzosen!

Unerwarteter Besuch

Was für eine Überraschung: Maurizia – meine andere Tante aus Arrezzo – und ihre Familie waren hier. Mena und Lorenzo hatten sie im IKEA getroffen – der heute offen hatte – und sie zur Cena eingeladen. Spontan und eine große Freude für mich. Und für sie bestimmt auch!

Heute Morgen hat mich Francesco um viertel vor zehn aus den Federn geholt. (Ich sollte ihm vielleicht sagen, dass er das erst ab zwanzig nach zehn darf) Scheinbar hat er meinen Ruf gestern Abend gehört, denn er fragte mich, ob ich Lust hätte mit ihm ins Schwimmbad zu gehen. „Moment, nicht ans Meer?“ – „Ach so, verstehe, die Giuglia kommt mit!“ Aha, die Giuglia kommt mit! Also war die letzte Nacht erfolgreich. (Für ihn jedenfalls) Wir waren dann in einem Schwimmbad direkt am Arno, das sich „Bellariva“ nennt. Es kostet 6,50 Euro Eintritt, was ich viel (aber die Italiener wenig) Eintritt fand, dafür dass es nur ein 50m- und ein Planschbecken für die Kinder hat. Dazu eine Liegewiese mit vielen Bäumen – sehr wichtig wegen dem Schatten! – ein paar Umkleidekabinen und Toiletten, und natürlich eine Bar, die Panini und Bibite verkaufen. Aber schön war es schon. Giuglia ist 26, also zwölf Jahre jünger als Francesco, und kann auch gut deutsch sprechen. Wir haben uns dann gegenseitig aus der Zeitung vorgelesen – die beiden Deutsch, ich Italienisch – sind natürlich schwimmen gegangen, haben viel in der Sonne gedöst (ich hab viel gelesen und geschrieben), Pingpong gespielt, und so einen herrlichen Tag im Schwimmbad verbracht. Dort war es zwar voll, aber es war trotzdem genug Platz, ungestört in der Sonne oder im Schatten zu liegen. Und die Hitze der Stadt (immerhin 39°) konnte man so nah am Wasser auch viel besser ertragen.

Nachdem mich die beiden dann nach Hause gebracht hatten – und zu Francesco weiterfuhren – kam ich hier in einem Backofen an. Über dreißig Grad hatten wir in der Wohnung. Da die Sonne schon weit genug gewandert war, öffnete ich alle Fenster und ließ die Ventilatoren laufen, damit sie sich wenigstens ein bisschen abkühlen konnte. Ich verdrückte mich in mein abgedunkeltes Zimmer und machte es mir auf meinem Sofa bequem. Gegen halb acht kamen auch Mena und Lorenzo zurück von seiner Mutter-? wo sie wie gesagt jeden Sonntag hingehen – und erzählten, dass sie auf dem Rückweg noch beim IKEA gewesen waren. Dort hatten sie, wie schon erwähnt, die Maurizia mitsamt Gianni (ihrem Mann), Andrea und Emanuele (die beiden kleineren von meinen drei Cousins) und den Mario (den Mann von der Bruna) getroffen. Was für ein lustiger Zufall. Sie kamen alle so zwischen acht und halb neun vorbei, und wir hatten eine spontane, aber trotzdem sehr ausgiebige Cena auf unserer Terrasse. Ich habe mich richtig gefreut, sie alle wieder zu sehen. Mittlerweile waren es immerhin schon fast zwei Jahre, dass wir uns nicht gesehen hatten. Es gab Risotto, Kartoffeln und Tomaten, Brot mit Aufschnitt, Fisch-Frikadellen, Salat, Eis, Obst, Limoncello, Wodka mit Pfirsich und Mena‘s favorite: Pfirsiche in Weißwein! und natürlich jede Menge zu erzählen. Meine Cousins haben jetzt Ferien (für drei Monate!) und freuen sich schon auf Sardinien im August, die Eltern renovieren die Wohnung, die Nonna macht Terz, der Marco (der Älteste) arbeitet in einem Auto-Grill und die Maurizia feiert am 12.07 ihren Geburtstag. Mein Handy hat leider kein Bluetooth, sonst hätte ich jetzt ein paar coole italienische Klingel-Sprüche darauf. So verging der Abend; irgendwann dösten Maurizia und Gianni – den der Lorenzo immer schön geärgert hatte – auf der Terrasse, Emmanuele alberte mit dem Lorenzo rum, Mena hatte mich und Andrea unter ihren Fittichen und Mario – dessen Bruna momentan in Rom weilt – lehnte lässig am Geländer und war mental schon bei seiner Prüfung morgen. Er ist nämlich gerade dabei, ein Studium – ich hab vergessen, was – zu beenden. Dabei könnten seine Kommilitonen seine Kinder sein, und sein Professor sein kleiner Bruder, meinte er heute Abend.

Und was habe ich mal wieder vergessen? Ja, richtig: Foto machen. MANN! Morgen will ich den ersten Film zum entwickeln bringen, aber ich muss noch zwei, drei Fotos verballern. Schau‘n mer mal! A domani!

San Giovanni

Ich sterbe bald! Es ist wirklich so heiß hier, dass man es kaum noch ertragen kann. Selbst Mena und Lorenzo, die eigentlich an dieses Wetter gewöhnt sein müssten, sagen, dass ihnen das Wetter zu schaffen macht. Heute Nachmittag haben sie sich nur in die abgedunkelte Wohnung gelegt und haben Fernsehen geguckt und geschlafen. Ich blöder deutscher Tourist bin natürlich in die brütende Hitze nach draußen gegangen und habe Deutschland angefeuert! Aber erstmal kommt Freitag!

Gestern bin ich im Schwimmbad gewesen. Hier direkt um die Ecke gibt es ein – wie soll ich sagen – Freizeitgelände. Dort gibt es eine Sporthalle, in der man Fußball und Tennis spielen kann, ein Bocciodromo (Boccia- Bahnen), eine Muckibude, einen kleinen Park, und eben auch ein kleines Schwimmbad, in dem im Sommer abends auch ein Open-Air-Kino stattfindet (Das werde ich wohl nächste Woche mal austesten). Das Gelände ist vielleicht so groß wie ein Häuserblock und auch mitten im Viertel, aber trotzdem sehr einladend und gemütlich. Das Schwimmbad hat nur ein Becken, also bin ich nicht viel geschwommen, aber ich hab mir ein schönes schattiges Plätzchen gesucht, wo ich Musik gehört und gelesen und geschrieben habe. Da war ich dann von fünf bis halb acht, nachdem ich mit Mena und Lorenzo noch eingekauft hatte. Zum Abendessen gab es gebackenen Lachs mit selbst gemachten Pommes Frites und gebratenen Peperoni. Hm! sehr lecker. Meine Tante kann wirklich gut kochen.

Abends hab ich dann noch das Frankreich-Spiel geguckt und bin mit Francesco und ein paar anderen Leuten auf den Piazzale Michelangelo hinauf gelaufen, wo wir etwas getrunken und lange gequatscht haben. Erst nachts kühlt es etwas ab – ich habe während dem Spiel wirklich noch geschwitzt, obwohl ich nur ein dünnes kurzes Hemd und Sandalen anhatte – so dass man wieder etwas wacher und aktiver wird. Deshalb sind auch die kleinen Kinder noch sehr lange wach und spielen draußen. Um zwei haben dann alle Kioske zugemacht und wir sind in die Stadt weitergelaufen, wo aber auch schon alles zu war. Also wieder McD, weil ich Hunger und vor allem Durst hatte. Und so gab es nur zwei Hamburger und nen großen Eistee. Lieber wären mir natürlich ein Panino und ein Wodka-Lemon gewesen, aber man kann eben nicht immer alles haben. Wir hätten natürlich noch in die Disko gehen können, aber die Leute sind wie gesagt schon etwas älter und wollten dann doch mal ins Bett. Francesco hat mir aber versprochen mal mit mir in eine der Diskos in den Cascine zu gehen. Vielleicht nächstes Wochenende…

Heute gab‘s auch keine Disko, deswegen bin ich auch noch schnell am Compi. Heute ist nämlich San Giovanni, das Fest des heiligen Johannes (Täufer oder Evangelist? Ich weiß es nicht), dem Stadtpatronen von Florenz. Der größte Feiertag im Jahr für die Florentiner. Dementsprechend voll war die Stadt. Fast eine halbe Stunde kam ich zu spät zur Leinwand (nachdem ich fast bis um zwei geschlafen hatte) und verpasste somit die beiden wunderschönen Tore von uns Prinz Poldi. Der spielt wirklich von Spiel zu Spiel besser. Wer weiß, vielleicht wird der noch Torschützenkönig und kriegt den goldenen Stollenschuh. Es war mal wieder so heiß, dass ich im nu die anderthalb Liter Wasser und den halben Liter Bier intus hatte, obwohl ich einen schönen Platz im Schatten gefunden hatte. Die Stimmung war auch gut – natürlich bei Weitem weniger als beim Italien-Spiel am Donnerstag – und die wenigen schwedischen Touristen nahmen‘s auch gelassen, während wir Deutschen ausgiebig feierten. Ich hatte übrigens wieder die Gruppe aus der Sprachschule getroffen und der Ösi saß auch wieder in der Nähe, also musste ich nicht alleine jubeln.

Danach gönnten wir uns ein Stück Pizza und ein Sieges-Bier und setzten uns ein bisschen in den Schatten der alten Stadtmauer dort in der Nähe. Die Pizza hatten wir von demselben Forno (Ofen, so nennt sich dieser Pizza- und Brotbäcker), wie nach dem Italien-Spiel. Sie ist wirklich sehr gut und kostet für Florentiner Verhältnisse richtig wenig. Hab diesmal auch ein Foto gemacht. A propos Foto: Ich vergesse andauernd, Fotos zu machen, das tut mir wirklich leid. Ich habe den Apparat fast immer dabei, aber er bleibt meistens in der Tasche. Menno! Aber um auf das Sieges-Bier zurückzukommen. Wir saßen also im Schatten und redeten ein bisschen über die italienische Sprache, da schaute ich auf die Uhr, und musste mit Entsetzten feststellen, dass es schon halb acht war! Ah! Wir waren doch schon um halb neun zur Cena verabredet. Ich hatte ganz vergessen, dass das Spiel ja erst um fünf angefangen hatte – wie sollte es mir auch auffallen, es war heiß wie mittags um zwölf! – und so verabschiedete ich mich schnell und wetzte zur Haltestelle, währenddessen ich meine Tante anrief. Sie nahm es wie immer sehr gelassen, aber ich schaffte es trotzdem irgendwie, schon um viertel nach acht zu Hause zu sein – und ein Mädchen aus Augsburg im Bus kennen zu lernen, die mit ihrem italienischen Barkeeper-Freund seit drei Jahren in Florenz wohnt und hier Restauration studiert. Die Dusche konnte ich mir schenken, dafür war leider keine Zeit mehr, aber für eine Katzenwäsche und einen Klamottenwechsel reichte es noch (Das schöne Deutschland-Trikot war total durchgeschwitzt, obwohl ich es nur auf dem Hin- und Rückweg anhatte; während dem Spiel ging es nur oben ohne).

Zur Cena waren wir bei der Schwester (Cristina) eines guten Freundes (Franco) von Lorenzo eingeladen. Sie wohnt am Rande des Zentrums am englischen Friedhof (zwischen Punkt 3 und 9 auf der Karte) auch in einer Dachwohnung mit riesiger Dachterrasse, auf der auch das üppige Festessen stattfand. Jeder Gast brachte etwas mit (die Mena hatte einen Salat gemacht) und so gab es wie immer reichlich zu essen und auch wie immer viel Obst, Caffè und Limoncello (diesmal die cremige Variante) hinterher. Wir waren ca. 15 Leute, hauptsächlich deren Familie – endlich war auch mal meine Generation vertreten, unter anderem ein Informations-Technik(IT)-Ingenieur) – und wir hatten einen wirklich lustigen Abend hoch über der Stadt, wo wir von Politik bis Liebe alle Gesprächsthemen auf dem Tisch hatten. Höhepunkt des Ganzen war aber das gigantische Feuerwerk zu Ehren San Giovannis, das zwischen zehn und halb elf vom Piazzale Michelangelo abgefeuert wurde. Von unserem Standpunkt aus hatten wir ein tolles Panorama über die illuminierte Altstadt und die riesigen Feuerblumen über ihren Dächern. Ich würde behaupten, dass es noch etwas größer als Rhein in Flammen war, aber zumindest vergleichbar, damit ihr eine Dimension habt. Durch die topographischen Gegebenheiten (Abfeuern von einem Berg) erschien es natürlich noch spektakulärer!

Gegen eins löste sich die Gesellschaft dann allmählich auf und wir fuhren nach Hause. Ich überlegte noch kurz, in die Stadt zu gehen, aber erstens war ich gestern schon sehr lange weg (und wer weiß, vielleicht kann sich Francesco morgen ja von seiner (Ex?-) Freundin Giulia lösen, mit der er heute das romantische Feuerwerk (drinnen oder draußen?) zusammen erlebt hat, und wir fahren wieder ans Meer?), und zweitens wäre ich alleine gewesen, und ich hatte keine Lust, schon wieder nur Amerikaner kennen zu lernen. An die Florentiner kommt man als Außenstehender nicht so einfach ran, sie sind ziemlich distanziert, auch wenn sie eigentlich sehr freundlich sind. Nur über Bekannte (so wie ich mit Francesco) kann man sie kennen lernen. Meine Tante hat mir erzählt, dass sie ganz viele Aktivitäten (Fitness-Studio, Tanzschule, Malkurs…) besucht hat, als sie neu in Florenz war, nur um andere Menschen kennen zu lernen. In Rom wäre das viel einfacher. Da müsste man nur in eine Bar gehen, da lernt man schon ne Hand voll echter Römer kennen. Hier sind es eben nur Amerikaner, die man kennen lernt. Und noch etwas habe ich beobachtet. Es gibt hier keine Singles über zwanzig. Vielleicht später wieder. Aber in meinem Alter geht es einfach nicht, dass man keine feste Beziehung hat. Da ist man lieber mit irgendwem zusammen, als allein zu sein. Für die Italiener war es auch total unverständlich, dass ich seit sieben Jahren alleine wohne, egal ob ich eine Freundin hatte oder nicht. Entweder bei Mama, oder bei einer Frau, aber alleine geht nicht. Wer kocht denn dann bitte schön für mich und kümmert sich um mich? Also, geht nicht!

Francesco, bitte melden, ich will ans Meer! Die Stadt ist viel zu heiß, und ins Schwimmbad geh ich besser unter der Woche, wenn es nicht so voll ist.

Limoncello

Ich habe gestern vor lauter Lampredotto doch tatsächlich den Limoncello vergessen! Also, bevor ich am Mittwoch mit Francesco und seinen Leuten nach Fucecchio gefahren bin, war die Bruna hier, und wir haben zusammen Limoncello gemacht. Zumindest den ersten Schritt. Da haben wir etwa eine Stunde lang da gesessen, und haben 16 Zitronen geschält. Aber man darf nur die wirklich gelben Stücke nehmen, darin liegen nämlich die essenze, also die ätherischen Öle, woraus auch das Aufgussmittel gemacht wird. Das Rezept von der Mena (was ich noch bekomme) sieht 8 Zitronen pro Liter Alkohol vor. Dementsprechend verteilten wir die Zitronenschalen gleichmäßig auf 2 Liter 95%igen Alkohol. Die stellten wir dann in den dunklen Vorratsschrank und da zieht der Alkohol dann 20 Tage lang die essenze aus den Schalen. Danach, also gerade noch rechtzeitig bevor ich wieder fahren muss, kommt noch Zucker – wahrscheinlich ne ganze Menge – und je 1,5 Liter Wasser zum verdünnen hinzu, und fertig ist das köstliche Getränk. Sehr alkoholisch und sehr lecker!

Nach einer erneut durchzechten Nacht habe ich gestern dementsprechend nicht viel hinbekommen. Ich habe mich nach dem allvormittäglichen Frühstück erstmal ausführlich um die Beantwortung eurer doch zahlreichen Emails gekümmert. Es ist schon erstaunlich, dass ich jetzt, wo ich in einem anderen Land bin, einen viel intensiveren Kontakt zu vielen von Euch habe, als wenn ich zu Hause bin. Natürlich mache ich hier viele Dinge nicht, die ich zu Hause gerne tue: Musik, exzessives Computer-Spielen, Arbeiten natürlich, usw… aber ich verspüre schon das Bedürfnis, euch an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen. Vielleicht ändert sich das, wenn ich wirklich woanders anfange zu leben, und einen Alltag zu haben – aus den USA habe ich in 10 Monaten glaube ich auch nur 2 Briefe nach Deutschland geschrieben und auch nur ein paar Mal angerufen – wer weiß das schon? Che sarà, sarà!

Danach musste ich mich sputen (welch schönes Wort!) um pünktlich zum Anpfiff an der Großleinwand zu sein. Ah, endlich mal ein bisschen italienisches Fußballfieber! Ich erwischte nur noch einen Stehplatz in der prallen Sonne, aber der alimentari mit den gekühlten Getränken war ja zum Glück nicht weit. Viele Florentiner sind direkt von der Arbeit dahin gekommen, und so herrschte echt eine sehr gute Stimmung. (Ich habe endlich mal ein paar Fotos gemacht) Lustigerweise lernte ich in der Halbzeit im alimentari eine Frau aus Halle kennen (sie telefonierte mit einer Freundin auf Deutsch, sagte etwas Lustiges und ich musste lachen), die hier für zwei Wochen und teuer Geld eine Sprachschule besucht. Ich hab mich dann in der zweiten Halbzeit zu den Deutschen aus der Sprachschule auf die Wiese gesetzt. Hinter uns saßen noch ein paar Österreicher – es ist so lustig, einen lispelnden Ösi Italienisch sprechen zu hören („ma lui é sssemo“ – eigentlich scemo) – also doch nicht nur Florentiner da. Nach dem wirklich guten Spiel gab es dann auch mal einen Auto- und Roller- Korso zu sehen. Die Begeisterung hatte sich vorher wirklich ziemlich zurückgehalten. Vielleicht war es erstmal wichtig, dass die Azzurri ins Achtelfinale kommen, bevor die Italiener anfangen mit zu fiebern!

Abends wollte mich Francesco eigentlich noch auf irgendein Konzert mitnehmen, aber ich war echt zu müde, und ich wollte ja auch noch ein bisschen ins Internet. Die Hitze macht mich echt fertig – ich wollte das Brasilien-Spiel eigentlich auch draußen gucken, aber da war ich wirklich zu kaputt für. Eben habe ich in den Nachrichten gesehen, dass die Temperaturen schon wieder um 5 Grad nach oben klettern werden. In Süditalien haben sie schon über 40 Grad im Schatten, bei uns immerhin 33! Auch in der Wohnung haben wir konstant zwischen 25 und 28 Grad und ich kann nachts nur mit eingeschaltetem Ventilator nackt und ohne Decke schlafen. Vorausgesetzt die Mücken lassen mich schlafen. Aber mittlerweile habe ich mich an die alltäglichen Stiche gewöhnt. Nicht nur hier im Zimmer, sondern überall wo nachts noch Licht ist werde ich gestochen. Die Mücken hier kann ich wenigstens töten!

Gleich fahr ich ins Schwimmbad und heute Abend fliegt Frankreich aus der WM raus!