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Kloutscore – Offener Brief an Joachim

You are effectively using social media to influence your network

Lieber Joachim,

du hast mich auf Twitter gefragt, ob und wenn nicht, warum ich nicht bei der Kloutscore mitmache.

Ich schreibe dir hier, weil meine Antwort nicht in 140 Zeichen passt. Ich schreibe dir offen, weil die Antwort ausführlicher geworden ist als geplant und weil ich Dinge anspreche, die ich gerne auch einmal offen ansprechen möchte.

Ich habe ein Problem damit, dass sich in der Piratenpartei immer häufiger diejenigen durchsetzen, die viel Zeit übrig haben, um in sozialen Netzwerken Werbung für sich selber machen zu können. Dadurch werden – wie du selber mit deiner Analyse feststellen konntest – bei internen Wahlen nicht zwangsläufig die besten Kandidaten gekürt, sondern generell die mit der meisten Zeit. Und dabei spielt es offensichtlich keine Rolle, welche weiteren Kompetenzen oder politischen Inhalte die Kandidaten mitbringen.

Profiteure dieses Umstands sind Studenten, Rentner, Arbeitslose, Beamte und alleinstehende Berufstätige (kann man sicherlich nicht pauschalisieren, aber ich hoffe die Denkrichtung ist klar). Selbstständige Unternehmer, vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in einer Partnerschaft oder gar mit Familie können nur dann einigermaßen mit den anderen Gruppen mithalten, wenn sie entweder keinerlei anderen Hobbies, Ehrenämtern etc. nachgehen und/oder der Partner sich ebenfalls gleichermaßen in der Piratenpartei engagiert bzw. das eigene Engagement uneingeschränkt unterstützt. Ungebildete und/oder sozial schwache Menschen mit begrenztem (technischem und/oder intellektuellem) Zugang zu den sozialen Netzwerken haben in diesem System meines Erachtens überhaupt keine Chance!

Dadurch repräsentieren wir nicht einmal ansatzweise den Schnitt durch die Gesellschaft, sondern nur einige wenige gesellschaftliche Gruppen. Also nähern wir uns mit unseren Repräsentanten denen der etablierten Parteien immer weiter an und entfremden uns ebenso immer weiter von der tatsächlichen Gesellschaft. Da können wir noch so oft Chancengleichheit und soziale Teilhabe predigen. So lange wir intern diese Chancengleichheit und Teilhabe nicht leben, werden wir immer unglaubwürdiger und zu Recht nicht mehr von den Menschen als ihre politischen Vertreter gewählt.

Kleine unwichtige Randbemerkung: (Im ungünstigsten Fall könnte dieses System sogar dazu führen, dass jemand mit viel Geld einen Stab finanziert, der in seinem Namen massiv Werbung für sich in den sozialen Netzwerken betreibt, dadurch einen hohen internen Status erlangt und in eine Spitzenposition gewählt wird. Bei 2% Zustimmung ist das nicht besonders lukrativ, aber bei 13%, die wir im vergangenen Jahr vorübergehend hatten durchaus vorstellbar.)

Ich persönlich habe, wie du weißt, momentan keinerlei Ambitionen ein weiteres Amt oder Mandat für die Piratenpartei auszuüben. Ich tue mich zurzeit auch echt schwer, meinen Kopf, z.B. bei der DADINA für die Piraten hinzuhalten. Es gibt viele Punkte, besonders in unserem Kreisverband, die mich abschrecken und mich daran zweifeln lassen, ob ich Politiker (bei den Piraten) sein möchte, wenn dies bedeutet ein „normaler“ Politiker sein zu müssen, z.B. wenn es darum geht, dass persönliche Statements immer der abgestimmten Parteimeinung entsprechen muss, die immer häufiger nicht von der Basis sondern von der Parteiführung vorgegeben wird. Ich hatte mir von den Piraten eine andere politische Kultur erwartet, diese auch gelebt und bin im vergangenen Jahr eines besseren (oder schlechteren) belehrt worden. Wir schulden nach wie vor den Beweis, dass wir tatsächlich einen neuen Politikstil in das bestehende System bringen und nicht nur ein großes Stück vom bereits bestehenden Kuchen ergattern wollen.

Um auf deine Frage konkret zu antworten. Ich bin vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. [Beliebiger Name] konnte ich zwar kurzzeitig davon überzeugen Mitglied in der Piratenpartei zu werden, aber sie ist durch den rauen Umgangston dermaßen verschreckt wurden, dass sie es noch nicht einmal ein halbes Jahr bei uns ausgehalten hat. Dementsprechend habe ich also zusätzlich noch einen Partner, der mein politisches Engagement nicht teilt. Ab dem Sommer haben wir dann auch noch unsere eigene kleine Familie, die viel Aufmerksamkeit von uns fordern wird. Und daneben übe ich (auch für die Piraten) diverse Ehrenämter aus und – ja! – ich habe auch neben der Piratenpartei noch andere Hobbies in meinem Leben.

Dementsprechend zähle ich mich selbst zur zweiten Gruppe, die ich oben aufgeführt habe. Ich habe schlichtweg keine Zeit, die sozialen Netzwerke ausreichend zu pflegen. Twitter nutze ich in der Regel nur, wenn ich von meinen Sitzungen berichte, Facebook hauptsächlich, um den Kontakt mit Freunden in aller Welt nicht zu verlieren. Und mein eigener Blog weiß glaub ich gar nicht mehr wie ich heiße 😀

Du siehst, mein Kloutscore liegt bei einer Skala von 1 – 100 wahrscheinlich im negativen Bereich. Und ich finde es etwas absurd, Zeit für ein Medium zu investieren, dass eine Aussage darüber trifft, welche Auswirkungen mein Gebrauch mit anderen Medien hat, für die ich eigentlich keine Zeit habe. Deshalb meine Antwort: Nein, ich nutze Kloutscore nicht. Aus den oben genannten Gründen 🙂

Ungeachtet dessen möchte ich dich ermutigen, weiterhin diese Analysen zu betreiben, weil sie eine hohe Aussagekraft besitzen.

Interessant finde ich zum Beispiel, dass alle Kandidaten, die wir in letzter Zeit aufgestellt haben, an Kloutscore teilnehmen. Es bedarf ja einer aktiven Handlung dazu. Das bedeutet für mich, dass sich die Kandidaten alle darüber im Klaren sind, dass sie die sozialen Netzwerke möglichst viel und effektiv nutzen müssen, um eine hohe Zustimmung bei Wahlen zu erhalten. Und im Umkehrschluss bedeutet das für mich auch, dass ein Kandidat, der Kloutscore nicht nutzt, keine Chance innerhalb der Piratenpartei hat!

Was mich nach wie vor aber ermutigt, mich für die Piraten zu engagieren sind Menschen wie du, die Ideale haben und dafür kämpfen. Ohne Menschen wie dich in der Piratenpartei wäre ich längst wieder passives Gesellschaftsmitglied und würde wie früher über „die da oben“ schimpfen anstatt selber zu versuchen es besser zu machen.

In diesem Sinne grüße ich dich ganz herzlich und wünsche dir weiterhin viel Mut und Ausdauer!

André

Eröffnungsrede zum Kreisparteitag der Piratenpartei Darmstadt am 30.06.2012

Ahoi zusammen!

An den Infoständen werden wir immer wieder gefragt: „Warum habt ihr euch eigentlich PIRATEN genannt? Woher kommt dieser ungewöhnliche Name?“

Manchmal erzähle ich die etwas ausführliche Geschichte um das Anti-Piraterie-Büro, das in Schweden zur Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen eingerichtet wurde. Und auch über die Bewegung rund um die Piratenbucht, aus der dann der politische Flügel, also die Piratenpartei in Schweden und später auch in Deutschland entstand.

Viel lieber aber erzähle ich die Geschichte vom griechischen Wort „peiran“, von dem sich das deutsche Wort „Pirat“ ableiten lassen soll. Es bedeutet „etwas wagen“, also Mut haben.

Und genau dieser Mut der Piratenpartei war es, der mich 2009 innerhalb weniger Tage in unsere Partei gelockt hat. Dieser Mut, auch mal einen anderen und nicht den so genannten „etablierten“ Weg zu gehen.

Vorratsdatenspeicherung, Internetzensur, biometrische Datenerhebungen, internationale Datenabkommen und all die anderen Gesetzesvorhaben, die unsere Freiheit beschneiden sollen? Für die etablierten Parteien sind diese meist nicht zu hinterfragende Mittel oder sie nennen sie gar alternativlos im Namen der Verbrechensbekämpfung.

Die Piraten nicht.

Sie besitzen den Mut, sich sogar als Fürsprecher pädophiler Kriminalität beleidigen zu lassen, weil sie sich standhaft gegen Zensur und Datenkraken stellen.

Junge Menschen, die sich mutig dem gealterten, starren Politiksystem entgegenstellen? Das hat mich beeindruckt.

Neben dem Mut waren es noch auch zwei weitere Eigenschaften, die mich bei den Piraten beeindruckt haben.

Zum einen ist das die Schwarmintelligenz. Bei den etablierten Parteien muss man oft zuerst einen gewissen Status erlangen, um von den anderen Parteimitgliedern gehört zu werden. Manche Ideen werden gar von der Parteispitze diktiert, die Basis muss sich dieser dann anschließen.

Bei uns nicht. Jeder Pirat, ja sogar jeder Nicht-Pirat, findet bei uns die Möglichkeit, eigene Ideen zu kommunizieren und vom Schwarm weiterentwickeln zu lassen.

Und das beeindruckt mich.

Zum anderen ist es das gegenseitige Vertrauen. Bei den etablierten Parteien muss die individuelle Meinung oft zuerst über den Schreibtisch eines Partei- oder Fraktionsvorsitzenden bevor sie in die Öffentlichkeit darf. Alles wird feingeschliffen und notfalls sogar zensiert.

Bei uns nicht. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, vertrauen wir darauf, dass die anderen Piraten immer im Sinne der Freiheit handeln. Alles ist schließlich transparent und jeder kann seine Meinung öffentlich sagen und von der Öffentlichkeit gehört werden.

Und auch das beeindruckt mich.

Mut, Schwarmintelligenz, Vertrauen…

In letzter Zeit habe ich den Eindruck gewonnen, dass diese – ich nenn sie mal Tugenden – also diese Tugenden der Piratenpartei etwas verloren gegangen sind.

Mutig sein? Einen unkonventionellen Weg gehen? Kontroverse Entscheidungen treffen? Also nicht so wie die anderen Piraten? Oder gar unsere potenziellen Wähler?

Lieber nicht. Wir könnten ja von den hohen Umfragewerten abrutschen, uns in den Medien blamieren. Oder gar bei der nächsten Wahl.

Und immer dieser lästige Schwarm. Warum denken die anderen nicht genau so wie ich? Es würd doch so einfach gehen, wenn die anderen mich nur verstehen und sich meiner Meinung anschließen würden.

Oder ich schließ mich einfach der Meinung eines Wortführers an. Dann mach ich nichts falsch. Und dann kann ich schön auf dem rumhacken, der eine Minderheitsmeinung vertritt.

Hat doch auch etwas von Schwarm… Oder doch eher von einer Schafherde?

An Vertrauen ist da nicht mehr zu denken. Wer weiß, was der andere wirklich mit seinem Blog-Eintrag meint. Der will sich doch nur für die nächste Listenaufstellung positionieren. Aber auf die Liste will ich doch drauf.

Da! Hat sie gerade etwa einen diskriminierenden Tweet gesendet? Sofort Shitstorm initiieren! Dann kann sie ihren Pressesprecher-Posten direkt mal an den Nagel hängen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte sie den eh nie bekommen. Völlig ungeeignet.

Nein. Ganz so schlimm ist es bei uns im KV zum Glück nicht. Und die Gefahr ist zum Glück auch nicht groß, dass es bei uns so weit kommen wird. Dazu ist der gegenseitige Respekt bei uns viel zu groß. Außerdem sind wir immer noch der geilste KV ever.

Heute sind wir zusammen gekommen, um einen neuen Vorstand zu wählen. Als ich nach meinem Urlaub ins Wiki geschaut habe, habe ich die Namen vieler mutiger Piraten gelesen, die sich zutrauen, einen Vorstandsposten zu übernehmen. Und es gehört wirklich Mut dazu, sich neben Beruf oder Studium, neben Familie, Freunden und anderen sozialen Verpflichtungen, in nicht unerheblichem Umfang ehrenamtlich für den KV engagieren zu wollen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung.

Und das beeindruckt mich mal wieder von den Piraten.

Na ja, und einige, die vielleicht nicht ganz so mutig waren, wurden dann eben vom Schwarm ermutigt, für den Vorstand zu kandidieren. Auch das ist beeindruckend, denn es zeugt von unserem gegenseitigen Vertrauen.

Ich jedenfalls traue jedem einzelnen von uns zu, eine Aufgabe für den KV zu übernehmen. Jeder von uns kann diesem KV vorstehen und es bleibt trotzdem der geilste KV ever.

Weil WIR die Tugenden der Piraten nicht vergessen haben. Wir bleiben mutig, wir behalten unsere Schwarmintelligenz und wir behalten unser gegenseitiges Vertrauen. Davon bin ich überzeugt.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen konstruktiven und erfolgreichen KPT heute. Und denkt dran, dass wir nachher noch grillen wollen.

Piraten: Neue Hoffnung gegen Politikverdruss

Gestern wurde im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Mit Spannung erwarteten alle Parteien die erste Hochrechnung und um 18 Uhr gab es dann wie gewohnt Gewinner und Verlierer an der Saar. Die CDU jubelte, weil ihre Spitzenkandidatin mit sicherem Vorsprung nun erneut Ministerpräsidentin werden kann. Die SPD ging mit gemischten Gefühlen in den Abend, weil man zwar sein Ergebnis verbessern konnte, aber wieder nicht die stärkste Kraft im Saarland wurde.

Schlechter hingegen fiel das Ergebnis der Linken aus. Mit 16,1% lag man über 5% schlechter als bei der letzten Wahl. Gar desaströs wurde es für die FDP. Gerade einmal 1,2% und damit deutlich weniger Stimmen als die Familienpartei (1,7%) sorgten für lange Gesichter bei den Anhängern. Und auch die Grünen mussten lange zittern bis sie die Gewissheit hatten, mit 5,0% und damit mit zwei Abgeordneten im zukünftigen Landtag zu sitzen.

Vergleich der Landtagswahlen 2009 und 2012 (Quelle: Wahlleiter Saarland)

Die Kameras fingen Gesichter ein, Reporter suchten Interviewpartner und in den Wahlstudios diskutierte man über die Ergebnisse und spekulierte schon einmal, wer denn nun jetzt mit wem und mit wem nicht usw… Die einen fühlten sich als Sieger, andere als Sieger der Herzen und die Verlierer suchten die Schuld beim politischen Gegner.

„Same procedure as every year, James.“

Aber all diese Bilder und Worte können über eins nicht hinwegtäuschen: Die Politikverdrossenheit nimmt weiter zu. Die Wahlbeteiligung sank innerhalb von drei Jahren von 67,6% auf nur mehr 61,6%. Zieht man hiervon noch die 2,1% (!) ungültigen Stimmen ab, die man bei einer Wahl mit einer Stimme durchaus als Protest werten kann, sind wir bei deutlich unter 60%. Und das bei einer Landtagswahl!

Verteilung der Stimmen aller Wahlberechtigten (Quelle: Wahlleiter Saarland)

Selbst eine große Koalition aus CDU und SPD kann mit 70% der Sitze im Landtag nicht die Mehrheit der  Bevölkerung vertreten. Sie kommt nur auf 39,8% der Stimmen aller Wahlberechtigten. Größte (außerparlamentarische) Fraktion bleibt der Nichtwähler mit 39,7%. Wenn man bedenkt also in etwa so stark wie die große Koalition. Das sind noch einmal 6% mehr als 2009, als 33,5% der Wähler zu Hause blieben oder ungültig wählten.

Absolute Stimmengewinne und Verluste (Quelle: Wahlleiter Saarland)

Ich könnte heulen während ich diese Analyse schreibe, gäbe es da nicht einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Eine Partei, die den Bürger mitnimmt. Eine Partei, die nicht heuchelt, dass sie alles regeln könne, sondern den Bürger nach seiner Meinung fragt. Nicht nur, wenn es im Wahlkampf um seine Stimme geht, sondern immer, 365 Tage im Jahr. Und diese Meinung vor allem auch ernst nimmt.

Natürlich rede ich von der Piratenpartei. Von wem denn sonst. Von ihren sensationellen 7,4% waren rund 2% (28% der Piratenstimmen) Stimmen von ehemaligen Nichtwählern. Etwa 10.000 Menschen, die 2009 zu Hause geblieben sind, sind also diesmal wählen gegangen. Für die Piraten. Laut der Tagesschau waren die Piraten nämlich die einzigen, die diese Menschen überzeugen konnten. Alle anderen Parteien verloren Wähler an die Politikverdrossenheit – selbst die SPD, die insgesamt ein leichtes Stimmenplus erzielen konnte.

Aber was bedeutet es, dass die Piraten die Nichtwähler erreichen können?

In erster Linie natürlich, dass die Piraten weiterhin erfolgreich bleiben und zukünftig noch erfolgreicher werden könnten. Im Mai stehen die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen an. Die Umfragen sehen die Piraten in beiden Ländern stabil über 5%, Erfolge gelten also als wahrscheinlich und können einen Trend für die Bundestagswahl 2013 einleiten.

Zum anderen aber auch – und das hoffe ich wirklich! – dass die anderen Parteien sich für die Ideen der Piraten öffnen werden. Diese Ideen liegen aber nicht bei den Themen, wie z.B. Netz-, Sozial- oder Finanzpolitik. Jede Partei ist schließlich fähig, zu den einzelnen Themen Positionen zu finden, hübsche Flyer zu drucken und damit um die Gunst der Wähler zu buhlen.

Liebe Altparteien und Medien: Der Erfolg der Piraten liegt nicht bei den Inhalten! Der Erfolg liegt im Gesamtkonzept oder wie wir sagen: „Im Betriebssystem.“

Die Menschen können bei uns Politik machen und Spaß dabei haben. Auf jedem Stammtisch, bei jedem Arbeitstreffen, auf all unseren Parteitagen kann und darf jeder Bürger mitreden und seine Ideen einbringen. Bei einem gepflegten Bier, bei einer erfrischenden Mate, bei Schnitzel und Pommes. Ohne Einstiegshürde, ohne Parteibuch.

In den vielen (hauptsächlich kommunalen) Parlamenten, in denen Abgeordnete der Piratenpartei sitzen, wurden Anträge gestellt, um die politische Arbeit in den Ausschüssen, Gremien und im Plenarsaal transparenter zu gestalten. Live-Ticker, Radio- und Videoübertragungen sind mittlerweile an vielen Orten verfügbar, auch wenn es oft viel Überzeugungsarbeit gekostet hat und nicht alle Abgeordneten mit der neu geschaffenen Offenheit einverstanden sind.

Die Politik wandelt sich. Sie muss sich wandeln, sonst schaufelt sie sich ihr eigenes Grab. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Mensch und Politik weiter voneinander entfremden. Politik darf sich in den Köpfen der Menschen nicht als bloße Bürokratie, als verstaubte Verwaltung von Menschen einbrennen. Politik muss Sprachrohr für die Bedürfnisse der Menschen sein. Politik muss menschlich sein. Mit Fehlern, mit Unvollkommenheit. Wandelbar.

Rede auf dem Anti-ACTA-Protest am 11.02.12 in Frankfurt/Main

Wortlaut der Rede:

Hallo zusammen!

Ich begrüße euch an diesem wunderschönen Tag hier in Frankfurt am Main! Es ist klirrend kalt, die Sonne scheint und heute haben sich hunderttausende Menschen in ganz Europa auf den Weg gemacht um für unsere Freiheit zu demonstrieren! Das ist überwältigend!

Aber jetzt müssen wir uns die berechtigte Frage stellen: Warum gehen bei zweistelligen Minusgraden hunderttausende Menschen in Europa freiwillig zum Demonstrieren auf die Straße? Warum sitzen wir nicht zu Hause im Warmen und schauen RTL II?

Frau Leutheuser-Schnarrenberger sagte erst gestern, dass es gar keinen Grund gebe gegen ACTA zu demonstrieren. Wir haben also keinen Grund, heute hier zu sein. Lasst uns also nach hause gehen. Ins Warme.

Liebe Frau Leutheuser-Schnarrenberger! Hier muss ich Ihnen ganz entschieden wiedersprechen! Es gibt einen ganz bedeutenden Grund heute hier zu sein!

Es geht um unsere Freiheit und die Freiheit unserer Gedanken!

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, wie ACTA richtig heißt ist für die EU seit dem 26. Januar beschlossene Sache. Es fehlen bloß noch die Unterschriften der einzelnen Mitgliedsstaaten und die Zustimmung des EU-Parlaments. Die sollen jetzt ratifizieren, was sich Lobby-Verbände von 2008 bis 2011 hinter verschlossenen Türen ausgedacht haben, um ihre eigenen Interessen in internationales Recht schreiben zu lassen.

Ja, liebe Frau Leutheuser-Schnarrenberger, mit ACTA werden vermutlich keine neuen Gesetze in Deutschland nötig. Die alten Gesetze werden mit diesem Vertrag lediglich auf ein Neues untermauert. Gesetze aus dem letzten Jahrtausend! Gesetze aus Zeiten, als es noch nicht einmal Farbfernsehen gab und man noch Telefone mit Wählscheibe benutzt hat.

Liebe Frau Leutheuser-Schnarrenberger und alle anderen rückwärtsgewandten Offline-Politiker! Falls ihr es noch nicht gemerkt habt: Es ist eine neue Zeit angebrochen! Die Medien haben sich geändert und mit ihnen auch die Verbreitungswege von Ideen, Gedanken und anderen geistigen Werken.

Die Idee vom Sharing, also dem Teilen von diesem so genannten „geistigen Eigentum“ ist dabei aber keineswegs erst eine Modeerscheinung aus dem 21. Jahrhundert. Schon die alten Römer haben die griechische Kunst und sogar ihre olympischen Götter „geraubt“ und weiterentwickelt. Aus dem Göttervater Zeus wurde bei ihnen Jupiter und aus Aphrodite wurde Venus.

Im Mittelalter zogen die Musiker, Künstler und Bauleute von einer Stadt zur anderen und schauten, was es dort an Entwicklungen gab. Man kopierte voneinander und jeder Musiker, Künstler oder Baumeister brachte neue Ideen in diesen Kreislauf des Austauschs. Nur so war es möglich, die vielen imposanten Kirchen in Europa zu bauen, die noch heute Wahrzeichen vieler Städte sind, wie z.B. das Notre Dame in Paris, der Kölner Dom oder aber auch der Kaiserdom hier in Frankfurt.

Die Künstler Michelangelo und Leonardo waren im 16. Jahrhundert erbitterte Rivalen. Und sie kopierten unentwegt voneinander. Berühmt geworden sind sie mit ihrer Kunst aber nicht, weil sie den Rivalen geschädigt haben, sondern weil sie beide unglaublich talentiert waren und ihre Kunst von den Menschen gekauft wurde.

Auch Goethes Faust ist ein weiteres Beispiel dafür, dass erst die Weitergabe und die Weiterentwicklung von Ideen dazu führen können, aus einer guten Geschichte eine historische Geschichte zu machen, die in keinem Lehrplan fehlen darf. Ausgehend von der wahren Geschichte des Dr. Johann Georg Faust wurde die Geschichte mehrfach weiterentwickelt. Aus Johann Georg wurde Jörg oder Johann und schließlich wird er bei Goethe zu Dr. Heinrich Faust. Außer den Schülern möchte niemand dieses meisterliche Werk in der Literaturgeschichte missen.

Und dann immer diese Angst vor dem Plagiat, liebe deutsche Wirtschaft. Der Chinese kopiert unseren Transrapid und unsere Autos. Ja und? Unsere industrielle Revolution hier in Deutschland, die sich vor über zweihundert Jahren abspielte, wäre ohne den Nachbau der englischen Dampfmaschine gar nicht möglich gewesen. Deutschland wäre bis heute ein Agrarstaat geblieben, wenn es damals ACTA gegeben hätte. Und Deutschland hat sich seitdem industriell so gut behaupten können, weil es eben nicht einfach kopiert hat, sondern die Technologien dann auch weiterentwickelte.

Liebe Frau Leutheuser-Schnarrenberger und ihr anderen rückwärtsgewandten Offline-Politiker, die ihr uns regieren wollt. Ich könnte euch noch viele Beispiele nennen, in denen der Austausch und die Weiterentwicklung von Ideen uns Menschen Fortschritt gebracht haben. Auch heute noch werden Bilder kopiert, Lieder geremixed und Lehrmaterialien für den Unterricht an unseren Schulen und Hochschulen aus den verschiedenen Büchern und Vorträgen zusammengestellt.

Kunst, Bildung und Geist leben vom Teilen. Ein so genanntes „Geistiges Eigentum“  darf nicht existieren, Ideen müssen weiterverbreitet und weiterentwickelt werden. Und auch wenn das nicht eure Intention ist, liebe Verfasser von ACTA, die Patentierung von geistigem Eigentum führt unweigerlich zu einer Zensur!

Deshalb fordern wir von euch verantwortlichen Politikern:

Stoppt ACTA!

Werft diese fortschrittsfeindlichen Verträge in den Papierkorb und arbeitet konstruktiv an der Weiterentwicklung von Kultur und Bildung mit.

Hört nicht auf die Anwälte der Lobby-Verbände. Denen sind höhere Ziele egal. Sie geben sich mit dem Niedrigsten zufrieden. Mit Geld.

Ich möchte mit den von mir weiterentwickelten Zeilen einer Kölner Band schließen:

„Keiner weiß, wie lange wir noch kämpfen müssen.

Aber wir müssen kämpfen für unser Ziel [einer freien Gesellschaft].

Und für das Glück von Jedermann lohnt es zu kämpfen!

Reiht euch bei uns ein!

Wir kämpfen zusammen – Nicht allein!“

Temperaturen im Winter

Foto: Ulrich Iffland

+10°C
Die Bewohner von Mietwohnungen in Helsinki drehen die Heizung ab. Die Lappen (Bewohner Lapplands) pflanzen Blumen.

+5°C
Die Lappen nehmen ein Sonnenbad, falls die Sonne noch über den Horizont steigt.

+2°C
Italienische Autos springen nicht mehr an.

0°C
Destilliertes Wasser gefriert.

-1°C
Der Atem wird sichtbar. Zeit, einen Mittelmeerurlaub zu planen. Die Lappen essen Eis und trinken kaltes Bier.

-4°C
Die Katze will mit ins Bett.

-10°C
Zeit, einen Afrikaurlaub zu planen. Die Lappen gehen zum Schwimmen.

-12°C
Zu kalt zum Schneien.

-15°C
Amerikanische Autos springen nicht mehr an.

-18°C
Die Helsinkier Hausbesitzer drehen die Heizung auf.

-20°C
Der Atem wird hörbar.

-22°C
Französische Autos springen nicht mehr an. Zu kalt zum Schlittschuhlaufen.

-23°C
Politiker beginnen, die Obdachlosen zu bemitleiden.

-24°C
Japanische Autos springen nicht mehr an.

-26°C
Aus dem Atem kann Baumaterial für Iglus geschnitten werden.

-29°C
Die Katze will unter den Schlafanzug.

-30°C
Deutsche Autos springen nicht mehr an. Der Lappe flucht, tritt gegen den Reifen und startet seinen Lada.

-31°C
Zu kalt zum Küssen, die Lippen frieren zusammen. Lapplands Fußballmannschaft beginnt mit dem Training für den Frühling.

-35°C
Zeit, ein zweiwöchiges heißes Bad zu planen. Die Lappen schaufeln Schnee vom Dach.

-39°C
Quecksilber gefriert. Zu kalt zum Denken. Die Lappen schließen den obersten Hemdknopf.

-40°C
Das Auto will mit ins Bett. Die Lappen ziehen einen Pullover an.

-45°C
Die Lappen schließen das Klofenster.

-50°C
Die Seelöwen verlassen Grönland. Die Lappen tauschen die Fingerhandschuhe gegen Fäustlinge.

-70°C
Die Eisbären verlassen den Nordpol. An der Universität Rovaniemi wird ein Langlaufausflug organisiert.

-75°C
Der Weihnachtsmann verlässt den Polarkreis. Die Lappen klappen die Ohrenklappen der Mütze runter.

-250°C
Alkohol gefriert. Der Lappe ist sauer.

-268°C
Helium wird flüssig.

-270°C
Die Hölle friert.

-273,15°C
Absoluter Nullpunkt. Keine Bewegung der Elementarteilchen. Die Lappen geben zu: „Ja, es ist etwas kühl, gib‘ mir noch einen Schnaps ….“

Kommunisten an Bord

Heute habe ich in der Onlineausgabe der taz gelesen, dass sich die Werler Stadtratsfraktion der Linken nach einem internen Streit mit anderen Parteigenossen aufgelöst hat und zusammen mit einem Großteil des Ortsverbands geschlossen in die Piratenpartei eingetreten ist. „Wir wollen soziale Politik machen, aber ohne Denkverbote“, begründet der 40-jährige Abgeordnete Fischer seinen Wechsel, heißt es in dem Artikel. Das hat zur Folge, dass die Piratenpartei in Werl nun mit den beiden Abgeordneten eine eigene Fraktion im Stadtrat bilden.

Natürlich hat mich diese Nachricht sehr gefreut, denn erstens empfinde ich es als Kompliment für die politische Arbeit aller Piraten, wenn sich Menschen dazu entschließen ein Teil unseres Kollektivs zu werden, und zweitens können wir nur mit Abgeordneten in den Parlamenten unsere Ziele auch realisieren. Deshalb habe ich den Artikel auch auf meinem Facebook-Profil verlinkt und die Nachricht verbreitet.

In den Kommentaren gab es dann allerdings auch kritische Töne zu dem Thema, weshalb ich mich dazu entschlossen habe, diesen Blog-Eintrag zu schreiben und nicht mein Profil mit 10 Absätzen Text zu füllen. Den bisherigen Kommentarverlauf möchte ich gerne darstellen und danach darauf eingehen:

André„Oh! ‚Jetzt gibt es keine Linkspartei mehr im Werler Stadtrat.‘ Die wollen wohl nicht mehr vom Verfassungsschutz überwacht werden ;-)“

Ralf Arnemann [sitzt u.a. für die FDP im Darmstädter Magistrat] „Und die nehmt Ihr? Komplett?“

André „Wir nehmen sogar FDPler, wenn sie unsere Werte und Ziele mit uns teilen ;-)“

Ralf Arnemann „Ja einzelne Mitglieder immer, wenn sie passen. Aber ein kompletter Ortsverband samt Fraktion – die bisher alle bei einer Partei waren, deren Ziele mit den Piraten nur marginale Überschneidungen haben …“

Simon Werner „Ich seh das auch etwas kritisch…. auf der einen Seite ist es gut erfahrene Mitglieder zu gewinnen. Auf der anderen Seite ist es einfach ein Interesse vorzuspielen um ein anderes zu verbergen. Und die Linke ist für mich ein großes Fragezeichen. Zum Einen gibt es dort Mitglieder die den Piraten ähneln… zum anderen gibt es da noch die Kommunistische Plattform und ihre dubiosen Trauerfeiern. Wir müssen ein Auge darauf haben ob die Leute sich wirklich für Piratenziele einsetzen wollen, oder ob sie die Partei nur für ihre Zwecke misbrauchen wollen. Das ist eine reale Gefahr.“

Ich kann diese Anmerkungen durchaus nachvollziehen, wenn man die Sache aus der Sicht etablierter Politik sieht. Da gibt es linke und rechte Lager und dementsprechend natürlich auch äußerst linke und rechte Lager. In diesen sind bisher die politisch engagierten Menschen gelandet, die entweder wirklich so extrem in schwarz/weiß (bzw. rot/braun) denken oder aber sich nicht mit den anderen Parteien identifizieren konnten oder wollten. Vielleicht suchen einige dort ja auch tatsächlich „kommunistische Plattformen“ und „dubiose Trauerfeiern“. Andere wollen aber auch einfach, so wie viele Menschen in den unterschiedlichen Parteien, nur Politik machen.

Aus der Sicht eines neuen Politikstils, den ich mir von den Piraten erhoffe, kann ich diese Anmerkungen allerdings nicht nachvollziehen. Wenn wir es schaffen, nicht mehr in politischen Lagern zu denken, sondern stattdessen nur noch um einzelne Themen zu streiten, ist es letztendlich egal, in welcher Partei sich der Einzelne engagiert oder ob er überhaupt einer Partei angehört. Die Welt ist mittlerweile eh so komplex geworden, dass sich wahrscheinlich niemand mit einem Parteiprogramm voll identifizieren kann.

Und hier genau liegt der Unterschied bei den Piraten. Den Abgeordneten der Piratenpartei wird zugestanden, im Parlament genau so abzustimmen, wie sie es für richtig halten, und nicht, wie bei den etablierten Parteien, wie es ihnen die Partei(-Führung) vorgibt. Und dabei halten wir uns nur an das Grundgesetz, in dem es in Artikel 38  (zumindest für die Bundestagsabgeordneten) heißt:

„[Die Abgeordneten] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Das bedeutet, um zurück auf die Parteiwechsler in Werl zu kommen, dass die beiden Abgeordneten genau die Politik machen sollten, für die sie 2009 von den Wählern in das Parlament gewählt worden und die sie mit ihrem Gewissen vereinbaren können, auch wenn diese vielleicht nicht zu 100% mit dem Wahlprogramm der Werler Piraten übereinstimmt. Sie sind schließlich damit zur Wahl angetreten.

Bei den nächsten Kommunalwahlen 2014 wird die Partei-Basis eine neue Liste aufstellen. Wenn die beiden Abgeordneten bei den Piraten bis dahin punkten konnten, werden sie wieder aufgestellt, wenn nicht, dann nicht. Und sollte sich herausstellen, dass die Abgeordneten aus irgendeinem Grund gegen unsere Satzung verstoßen, so werden sie wieder rausgeschmissen. So wie jedes andere Mitglied auch.

Abschließend möchte ich mich noch generell zur Linkspartei äußern. Ich persönlich kann mich nicht mit dieser Partei identifizieren, da sie mir zu ideologisch ist und andere Sichtweisen nicht zulässt. Deswegen bin ich auch kein Mitglied bei den Linken geworden. Aber mittlerweile identifiziert sich offensichtlich immerhin jeder zehnte Wähler mit dieser Partei oder erhofft sich zumindest von ihnen die Berücksichtigung seiner Interessen. Und diese Entscheidungen nehme ich ernst und setze mich dementsprechend auch mit dem Programm der Linkspartei auseinander.

Genauso tue ich das auch mit den Programmen der anderen Parteien, auch dem der FDP. Meines Erachtens fallen aber auch alle anderen etablierten Parteien unter das gleiche Schema „zu ideologisch und lässt keine anderen Sichtweisen zu“. Deshalb habe ich mich für die Piratenpartei entschieden. Und ich freue mich über alle neuen Mitglieder, egal ob sie meiner Meinung sind oder nicht. Am Ende gewinnen wir alle!

Rückfahrt

Freitag der 13. ist eigentlich kein schlechtes Omen für mich. Aber man könnte fast diesen Aberglauben für meine Odyssee verantwortlich machen, die ich zum Abschluss meines Urlaubs heute erleben musste.

Nach dem Frühstück ging ich der Tradition folgend wieder Joggen. Diesmal lief ich wieder nach Lobbe, aber danach weiter nach Südosten an der Küste entlang. Nach ungefähr einer halben Stunde kehrte ich einfach um, ohne ein bestimmtes Ziel erreicht zu haben. Man muss es ja nicht total übertreiben.

Das Hotel war echt kulant. Ich hatte mir eine Busverbindung um halb eins herausgesucht und man gestattete mir, erst um zwölf auszuchecken. So musste ich mich nach dem Laufen nicht stressen und konnte in Ruhe noch mein Dehn- und Bauchprogramm durchziehen und meinen Kreislauf abkühlen. Ansonsten schwitzt man selbst nach dem Duschen immer noch so lange nach.

Das Auskunftsprogramm der Deutschen Bahn ist für die Tonne! Sonst hätte es mir auch angezeigt, dass es einen direkten Bus von Göhren nach Bergen gibt, der schon um zwanzig nach zwölf fährt. Den sah ich gerade abfahren, als ich zur Haltestelle ging. Mit dem Bus um Halb musste ich umsteigen und hatte kaum Zeit, mir in Bergen noch ein Ticket kaufen zu können.

Als ich an der Haltestelle auf meinen Bus wartete, erkannte ich, dass freitags tatsächlich Liefertag auf Rügen sein muss. Im ganzen Ort tummelten sich Lkw, die die ganzen Hotels, Restaurants, Geschäfte usw. belieferten. Dementsprechend voll waren die Straßen auf Rügen und so kam es, dass mein Bus erst mit zehn Minuten Verspätung in Göhren eintraf. Bei sieben Minuten Umsteigezeit in Bergen wurde es eng…

Am Umsteigeplatz wartete schon der weiterführende Bus auf uns. Ich fragte den Busfahrer, ob wir den Zug nach Rostock noch bekommen würden. Er fragte, wann dieser fahren würde und versprach mir, sein Bestes zu geben. „Was kommt ihr auch so spät.“ War sein Kommentar. Eine Minute vor Abfahrt erreichten wir Bergen. Ich dankte dem Busfahrer für sein Bemühen und hechtete in den Bahnhof. Der Zug war schon am Horizont zu erkennen. Ich brauchte noch ein Ticket und musste auf den anderen Bahnsteig gelangen, bevor der Zug abfuhr.

Der Automat brauchte eine gefühlte Ewigkeit um mein Ticket zu produzieren. Währenddessen fuhr der Zug ein und leider auch schon wieder aus. Also eine Stunde auf den nächsten warten. Ich kaufte mir beim Bäcker einen Streuseltaler und den aktuellen Stern. So verging die Stunde bei schönstem Sonnenschein auf Bahnsteig 2 mit frischem Gebäck und informativer Lektüre.

Ich checkte zwischendurch meine geänderte Reiseverbindung. Um diese Uhrzeit gab es schon von Stralsund einen IC nach Hamburg, so dass ich nicht in Rostock umsteigen musste und da der IC in Stralsund startete, hatte ich auch noch freie Platzwahl. Glück im Unglück heißt es doch so treffend.

In Hamburg legte ich einen Zwischenstopp bei KFC ein. Inzwischen war es halb acht und mein Körper verlangte nach heißem, fettigen Essen. Lange hatte ich nicht Zeit bis zur Abfahrt nach Bonn, aber es reichte, um mich im Restaurant zum Essen hinsetzen zu können.

Am Bahnsteig traf mich allerdings der Schlag. In mehreren Reihen hintereinander warteten die Menschen auf meinen Zug! Und der hatte auch noch zwanzig Minuten Verspätung, weil er in Altona nicht rechtzeitig aufgestellt werden konnte. Willkommen bei der Deutschen Bahn! Ich hätte doch während meiner Umsteigezeit mit der S-Bahn nach Altona jetten sollen, dann hätte ich wenigstens wieder freie Platzwahl gehabt. Aber das Risiko, den Zug zu verpassen war zu hoch.

Ich ging zu dem Gleisabschnitt, an dem der Fahrradwaggon halten sollte. Hier standen deutlich weniger Menschen und es gab wieder Hoffnung auf einen Sitzplatz. Diesen bekam ich dann auch tatsächlich und sogar mein Nebenplatz blieb erstaunlicherweise frei, so dass ich mich ausbreiten konnte. Ich glaube, viele Menschen bleiben lieber in einem überfüllten Waggon stehen, als dass sie durch den Zug laufen, um evtl. noch einen Sitzplatz zu ergattern. Mein Glück!

Im Laufe der Fahrt leerte sich der Zug dann auch immer mehr, so dass ich entspannt in Bonn ankam. Morgen geht’s dann nach Holland zu meiner Schwester, aber das ist eine andere Geschichte…

FKK in Göhren

Gestern hatte meine Schwester Geburtstag. Ich hab’s nicht vergessen und artig eine SMS geschrieben. Am Samstag sehen wir uns ja sowieso bei ihr, da kann ich ihr dann noch richtig gratulieren.

Nach dem Frühstück bin ich wieder Laufen gewesen. Diesmal habe ich den Ostzipfel der Landzunge in Angriff genommen. Vom Hotel aus ging es erst kurz auf Meeres-Niveau runter und dann steil rauf auf die Klippen. Hinter dem Ort ist dann nur noch Wald, durch den ein Rundwanderweg führt. Einmal zum Zipfel und zurück sind etwa 3 km, aber mit ordentlich Höhenmetern. Andauernd ging es hoch und runter. Zurück am Hotel entschloss ich mich dazu, noch einmal nach Lobbe und zurück zu laufen, um die 10 km voll zu machen. Die zusätzlichen 7 km vergingen wie im Flug, da der Weg die ganze Strecke über etwa auf Meerespegel verläuft.

Unsere Rezeptionistin war beeindruckt von meiner Disziplin. Wenn ich mich doch auch im Alltag motivieren könnte!

Nach der Dusche packte ich meine Sachen. Heute strahlte die Sonne herrlich herunter und ich hatte bei meinem Abendspaziergang gestern gesehen, dass es im Norden einen FKK-Strand gibt. Ich lief erst einmal am FKK-Bereich vorbei, obwohl er ziemlich genau ausgeschildert war. Ungewohnterweise sind die Bereiche hier aber nicht eindeutig voneinander abgegrenzt, so dass man schon genau schauen muss, um die nackten Leute zwischen den angezogenen zu entdecken. Ich legte mich einfach dazu. So unkompliziert hatte ich es vorher noch nirgendwo erlebt. Vielleicht können sich andere Orte daran ein Beispiel nehmen.

Strand in Göhren: hier badet jeder so, wie er möchte

Der Tag am Meer verging rasant. Erst gegen Abend zog sich der Himmel zu, so dass es zu frisch zum Sonnenbaden wurde. Ich hatte allerdings auch schon einen leichten Sonnenbrand. Also ließ ich den Strand Strand sein und kehrte zurück ins Hotel. Abermals stellte ich nach der Dusche den restlichen Wein kalt und machte mich ausgehfertig. Ich nahm mir vor die Dorf-Disko auszuprobieren, in der es eine Oldie-Nacht geben sollte.

Vorher aber zuerst den Magen füllen. Neben dem Hotel gibt es eine Gaststätte, die gemütlich und nicht übertrieben teuer wirkte. Ich wär auch schon gestern hier gelandet, wenn ich nicht das Restaurant auf der Höhe ausprobiert hätte. Ich kam leider ein wenig zu spät. Scheinbar darf der Ort (oder vielleicht sogar die ganze Insel) nur freitags mit Lkw beliefert werden, was ich allerdings erst morgen erfahren werde 😉 Um halb neun an einem Donnerstag-Abend gab es demzufolge kaum noch die auf der Karte angebotenen Gerichte. Mit viel Spaß und diversen Rückfragen in der Küche stellten die Bedienung und ich gemeinsam einen Grillteller für mich zusammen. Der war dann auch verdammt lecker, vor allem die mit Käse überbackene Grill-Tomate, die als Hauptbeilage in der Mitte des Tellers thronte.

Als ich gerade die letzten Bissen meiner Schlachtplatte verschlang, öffnete sich der Himmel. Das Grollen hatten wir schon den ganzen Abend gehört, aber jetzt entlud sich das Gewitter auch über uns. Und wie! Massen an Wasser prasselten auf das Dach der Gaststätte und flossen in reißenden Bächen die Straßen entlang. Zum Glück musste ich nach dem Essen nur nach nebenan ins Hotel. Ich wartete, bis es etwas nachließ, wurde aber trotzdem klatschnass.

Wieder trocken ließ ich den Abend abermals mit dem leckeren Wein ausklingen und schaute mir dabei einen Hollywood-Streifen im Fernsehen an. Unterbrochen immer wieder von einschlagenden Blitzen in der Umgebung. Sehr gemütlich!

Ach ja, mit der Dorf-Disko hatte sich das dann erledigt.

Zweiter Tag

Gestern bin ich schon vor meinem Wecker aufgewacht. Draußen schien die Sonne und irgendwer frühstückte lauthals auf seiner Terrasse. Ich werde Frühaufsteher nie verstehen!

Das Frühstück hier im Hotel ist richtig gut. Frische Brötchen, Brot und Croissants, Blechkuchen, hochwertiger Aufschnitt und Käse, Lachs, Eier in jeder Variation, gebratener Speck und frisches Obst, Müsli, Joghurt und verschiedene Säfte. Leider gab’s keinen Latte Macchiato, aber man kann nicht immer alles haben.

Fast alle Tische waren an der langen Fensterfront platziert, so dass man auf die abschüssige Straße sehen konnte. Viele Touristen haben sich für ihren Urlaub offensichtlich ein Fahrrad gemietet und ich konnte beobachten, wie sie sich ganz vorsichtig und mit angezogener Bremse in ungewohnter Haltung den Hügel zum Südstrand hinunterrollen ließen. In der Gegenrichtung fuhr fast niemand. In einer langen Kette schoben sie hintereinander ihre Räder hinauf. Vielleicht sollten die auch mal den Rest des Jahres Radfahren…

Nach dem Frühstück hatte ich Lust zu joggen. Ich sagte an der Rezeption Bescheid, dass ich das Zimmer noch zum Duschen bräuchte. Kein Problem. Die Frühstücks-Crew ist gleichzeitig auch die Zimmer-Crew und die mussten erst den Frühstücksraum fertig machen bevor sie in den Zimmern weitermachten.

Auf GoogleMaps plante ich meine Route. Den Weg bis nach Lobbe, dann der Straße Insel einwärts und zum Schluss an der Abzweigung wieder östlich zurück nach Göhren sind knapp 10 Km. Eine schöne Strecke. Als ich loslief, schien die Sonne. Bis zum Museumsschiff sind es nur ein paar Hundert Meter bergab, so dass ich schon nach knapp zwanzig Minuten in Lobbe war. Von hier führte ein Damm, der als Fuß- und Radweg beschildert ist, parallel entlang der Landstraße durch die Felder. Was für eine schöne Strecke! Der Weg zurück nach Göhren führte durch Felder und ein Waldstück und verzweigte sich immer wieder. Zum Glück kann ich mich generell gut orientieren und hin und wieder hat mir auch ein Wegweiser geholfen.

Nach etwa einer Stunde kehrte ich zurück ins Hotel. Ich war völlig verschwitzt. Mein T-Shirt war so nass, als wär ich damit schwimmen gewesen. Mein Zimmer war auch noch unberührt, so dass ich schnell duschen ging, meine Sportsachen in einen Beutel verstaute und die Koffer zusammen packte. Mit meinem Strand-Rucksack ging ich an den Süd-Strand.

Ich hoffte auf ein paar Jugendliche, die Volleyball spielen, aber außer Familien mit Kleinkindern und Rentnern sind hier scheinbar keine Touristen. Egal, ich hatte ja auch Musik und ein Buch dabei. Aber erst mal ins Wasser, das wie in Greifswald angenehm warm war. Und vor allem nicht unangenehm salzig wie die anderen Meere, die ich kenne.

Nach ungefähr einer Stunde zog sich der Himmel zusammen und die ersten Menschen verließen den Strand. Viel war auch vorher nicht los, aber jetzt war es plötzlich unheimlich leer. Als es anfing zu tröpfeln, ging ich noch einmal ins Wasser. Besser ins warme Nass als von oben kalt berieselt zu werden, dachte ich mir. Neben mir tat es mir eine alte Frau gleich. Wir lächelten uns im stillen Einverständnis zu.

Als wir wieder draußen waren und uns abtrockneten, fing es richtig an zu regnen. Na gut, kein Strand mehr… Ich packte meine Sachen zusammen und ging zurück ins Hotel. Allen Menschen, denen ich begegnete, hatten entweder einen Regenschirm aufgespannt oder ein Regencape übergeworfen. Ich hatte beides natürlich nicht dabei. Als Einziger auf der ganzen Insel, wie es scheint. Hey Leute, es ist August! Warum nehmt ihr in euren Sommerurlaub Regensachen mit. Wir haben immerhin immer noch 25 Grad…

Im Hotel teilte man mir mit, dass das Zimmer frühestens in ein, zwei Stunden fertig sei. Ich fragte nach einem Erlebnisbad mit Sauna und man bot mir an, den Wellness-Bereich im Partnerhotel kostenlos zu benutzen. Sehr schön!

Ich hatte ein Schwimmbecken mit kleiner Saunakabine erwartet, aber im Waldhotel gab es wirklich einen großzügigen Saunabereich mit vier verschiedenen Saunen, zwei Dampfbädern und Whirlpool. Und natürlich ein Schwimmbecken. Aber warum auch immer war dort nichts los. Eine junge Familie am Pool und zwei Paare, die sich mit mir den Saunabereich teilten.

Während ich den Wellness-Bereich ausgiebig nutzte und mich an den bereitgestellten Köstlichkeiten (frisches Obst und kühles Wasser) erfrischte, fiel mir ein Flyer der Massage-Abteilung in die Hände. Dort wurde ein Sommer-Special-Angebot beworben: 40 Minuten Rückenmassage und eine heiße Kreide-Packung für 29 Euro. Ein guter Deal, wenn ich bedenke, dass wir an der Nordsee über 50 Euro für 45 Minuten gezahlt hatten und diese Leistung hier sonst auch über 40 Euro kostet.

Aber wo war die Massage? Der Saunabereich war in sich abgeschlossen, also ging ich nur mit einem umgeworfenen Handtuch bekleidet durch die Umkleide zurück ins Foyer. Dort wies eine Rezeptionistin gerade zwei neue Gäste in die Hotelanlage ein. Als sie fertig war, fragte ich sie nach der Massage und sie führte mich in den Keller. Wohin auch sonst? Ich frage mich, warum die Physio-Therapeuten und Masseure immer im Keller arbeiten müssen. Ich glaube, die Menschen, die diese Entscheidung treffen, lassen sich selber gar nicht gern massieren oder anfassen. Wenn dann die Überlegung kommt, wohin mit der Physiotherapie und Massage, kriegen die den letzten freien Platz zugeteilt: den Keller.

Dort erwartete mich ein riesiges Areal. Ich schätze, dass es mindestens 15 Behandlungsräume gab, an denen ich vorbeilaufen musste, bevor ich an den Empfang kam. Wie üblich gab es auch hier einen separaten Eingang, damit externe Gäste nicht wie ich erst durchs halbe Hotel laufen müssen, um zu ihrer Behandlung zu kommen. Am Empfang begrüßten mich gleich vier Therapeuten, die scheinbar gerade eine Lücke hatten und sich ein lustiges Video auf YouTube anschauten.

Ich fragte nach einem Termin. Ich wurde gefragt, wie lange ich denn noch hier sein würde. Morgen um 17h wär noch was frei. Und heute? Hmm, kurze Überlegung. Eine junge Therapeutin kam dazu und sagte, dass sie zwar gleich Feierabend hätte, aber eine Massage noch passen würde, wenn ich jetzt sofort behandelt werden wollte. Jippie!

Die Massage war ein Traum. Die Frau hatte geniale Hände und massierte mir alle Schmerzen aus dem Rücken. Bei der anschließenden Kreide-Packung wär ich fast eingeschlafen. Danach war die Sauna natürlich noch angenehmer. Ich blieb noch, bis mich so kurz vor sieben der Hunger packte. Auf dem Weg zum Hotel holte ich mir im kleinen Supermarkt an der Ecke noch eine Flasche Weißwein und einen Korkenzieher für später.

Heute wollte ich unbedingt Fisch essen. Ich machte mich in meinem neuen Zimmer schnell ausgehfertig, legte den Wein ins mit kaltem Wasser gefüllte Waschbecken und spazierte erst einmal zum Nordstrand. Vom Ort musste man erst durch den steil abfallenden Kur-Garten, um an die Strandpromenade zu gelangen. Dort gab es leider nur entweder überteuerte Restaurants oder billige Frittenbuden. So spazierte ich an der Promenade entlang, bis ich den Ortsrand erreichte.

Also wieder steil hoch auf die Hauptstraße. Dort auch nur die üblichen Verdächtigen, die ich gestern Abend schon erkundet hatte. Ungefähr auf der halben Strecke zurück zum Hotel ging es nach Osten ab und noch einmal steil hinauf. Ich folgte der kleinen Straße und kam noch an ein paar kleinen Hotels vorbei. Zum Schluss machte die Straße noch einen scharfen Bogen und führte zurück zur Hauptstraße.

Die Gaststätte „Zum Leuchtfeuer“ – Lecker Fisch

Auf der Höhe entdeckte ich ein kleines Restaurant mit Aussichts-Terrasse mit dem Namen „Zum Leuchtfeuer“. Genau das, was ich gesucht hatte. Die Terrasse war um diese Uhrzeit gut besucht, aber für mich gab es noch einen Tisch. Ich bestellte die gemischte Herings-Platte. Günstig, ohne Gräten und sau-lecker! Dazu eine Cola, denn ich fühlte mich etwas unterzuckert vom ganzen Sport und der Sauna.

Den Abend ließ ich auf meinem Balkon mit Meeresblick ausklingen. In der Kneipe gegenüber lief Deutschland gegen Dänemark. Nicht sonderlich spannend aber die Deutschen haben mit ihrer B-Elf wohl ganz anschaulich gespielt. Irgendwie habe ich es geschafft, den Korkenzieher schon bei der ersten Flasche Wein abzubrechen. Den Korken bekam ich zwar noch raus gehebelt, das Gerät konnte man danach aber vergessen. Egal, der Wein war lecker und der Schlaf danach umso fester.

Am Strand entlang

Göhren ist klein und liegt auf einer großen Erhebung auf der Landzunge. Es gibt kaum eine ebene Straße, aber ich bin ja nicht Lauf-faul. Heute Abend wollte ich erst einmal den Süden erkunden, der im Gegensatz zum Norden noch relativ unberührt geblieben ist. Im Norden gibt es laut Karte eine Promenade und einen Fähr-Anleger. Außerdem befinden sich dort ein Camping-Platz und die Endhaltestelle des legendären „Rasenden Rolands“.

Nachdem ich die 200m zum Strand herunter gelaufen war, entschied ich mich für den Westen, da im Ost schon schnell die Steilküste beginnt. Barfuß durch den Sand laufen hat schon was und es dauerte nicht lange und ich fing an, über Gott und die Welt nachzudenken. In Gedanken versunken habe ich kaum meine Umgebung wahrgenommen. Ich erinnere mich an eine Ansammlung von Strandkörben, ein Beach-Volleyball-Feld und ein paar in der Bucht liegende Boote. Hier und da vereinzelt ein paar Menschen. Am Nordstrand hat zu der Zeit bestimmt noch der Bär getobt.

In der Dämmerung kam ich an einen Felsvorsprung, zu dessen Fuß ein paar Angler mit ihren Bierdosen saßen. Ich habe sie nett gegrüßt und bin dann um die Felsen herum gegangen. Dort erwartete mich eine kleine Bucht, eher gesagt ein kleiner Bodden, der durch eine Landbrücke vom Meer abgetrennt ist. Ich beschloss, über die Dünen auf die Straße zu gehen und auf dieser den Heimweg anzutreten, um schneller und vor allem noch vor der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein. Mir fiel nämlich plötzlich auf, dass ich heute noch überhaupt nichts gegessen hatte und befürchtete, dass die Restaurants ihre Küchen schon um 22 Uhr schließen.

Auf der anderen Seite der Düne lag ein kleiner Ferienort. Die Uhr zeigte viertel nach neun an und das Portemonnaie leider nur noch 4 Euro Guthaben. Da weit und breit keine Bank in Sicht war gab es dort also auch kein Abendessen für mich. Und zu meinem Entsetzen auch keine Straße, die nach Osten führte. Musste ich etwa wieder am Strand zurück? Ich ging erst mal zur Hauptstraße, die ins Inselinnere führte. Eine Bushaltestelle ließ mich hoffen, aber der letzte Bus fuhr bereits um halb neun.

An der Haltestelle hing dafür eine Wanderkarte. Daran konnte ich ablesen, dass der Ferienort Lobbe hieß, aber Göhren war nicht darauf verzeichnet! Wie weit war ich da eigentlich gelaufen? Google sagt 3,5km. Nicht schlecht… Zu meiner Erleichterung entdeckte ich auf der Karte auch, dass es einen Wanderweg parallel zum Meer gibt.

Von Göhren nach Lobbe sind es 3,5km – zum Glück gibt es einen Weg parallel zur Küste

Sofort machte ich mich auf und wanderte so zügig, wie es meine Flip-Flops erlaubten nach Göhren. Der Wanderweg entpuppte sich als ausgebaute Anwohnerstraße, die an diversen Ferienwohnungsanlagen mit eigenem Meeres-Zugang, einer Klinik, einem Sportplatz und einem Museums-Schiff vorbeiführte.

Um kurz nach zehn erreichte ich Göhren. Auf der Hauptkreuzung standen zum Glück gleich zwei Geldautomaten. Ich zog mir etwas Geld und lief die Hauptstraße entlang. In den Restaurants saßen noch genug Menschen, so dass ich mir keine Sorgen mehr machte. Beim Italiener, bei dem ich schließlich einkehrte, musste allerdings erst der Küchen-Chef gefragt werden, ob er noch kochen mochte.

Er mochte. Ich entschied mich für hausgemachte Ravioli mit Hähnchen und Champions. Was für ein Reinfall! Die Teigtaschen und das Huhn ertranken in Sahne und die Nudeln schmeckten nicht. Was für eine Schande. Ich hätte doch ins Fisch-Restaurant gehen sollen, bin ja schließlich am Meer. Aber der Hunger trieb’s rein und ich ließ nur die Soße auf dem Teller.

Im Dorf-Diskokeller gab’s eine 90’s-Party. Lust hätt ich schon gehabt, aber die Müdigkeit siegte. Morgen soll’s Karaoke geben, das schau ich mir vielleicht mal an. Ich überlegte kurz, ob ich mir beim Italiener noch eine Flasche Wein holen sollte, aber ich habe weder einen Korkenzieher noch Lust, so ein schlechtes Restaurant auch noch zu unterstützen.

So bin ich jetzt wieder auf meinem Zimmer und hab mir den Wecker auf kurz vor neun gestellt. Noch ein bisschen Lesen und dann schlaf ich bestimmt wieder schnell ein.