Göhren ist klein und liegt auf einer großen Erhebung auf der Landzunge. Es gibt kaum eine ebene Straße, aber ich bin ja nicht Lauf-faul. Heute Abend wollte ich erst einmal den Süden erkunden, der im Gegensatz zum Norden noch relativ unberührt geblieben ist. Im Norden gibt es laut Karte eine Promenade und einen Fähr-Anleger. Außerdem befinden sich dort ein Camping-Platz und die Endhaltestelle des legendären „Rasenden Rolands“.
Nachdem ich die 200m zum Strand herunter gelaufen war, entschied ich mich für den Westen, da im Ost schon schnell die Steilküste beginnt. Barfuß durch den Sand laufen hat schon was und es dauerte nicht lange und ich fing an, über Gott und die Welt nachzudenken. In Gedanken versunken habe ich kaum meine Umgebung wahrgenommen. Ich erinnere mich an eine Ansammlung von Strandkörben, ein Beach-Volleyball-Feld und ein paar in der Bucht liegende Boote. Hier und da vereinzelt ein paar Menschen. Am Nordstrand hat zu der Zeit bestimmt noch der Bär getobt.
In der Dämmerung kam ich an einen Felsvorsprung, zu dessen Fuß ein paar Angler mit ihren Bierdosen saßen. Ich habe sie nett gegrüßt und bin dann um die Felsen herum gegangen. Dort erwartete mich eine kleine Bucht, eher gesagt ein kleiner Bodden, der durch eine Landbrücke vom Meer abgetrennt ist. Ich beschloss, über die Dünen auf die Straße zu gehen und auf dieser den Heimweg anzutreten, um schneller und vor allem noch vor der Dunkelheit wieder zu Hause zu sein. Mir fiel nämlich plötzlich auf, dass ich heute noch überhaupt nichts gegessen hatte und befürchtete, dass die Restaurants ihre Küchen schon um 22 Uhr schließen.
Auf der anderen Seite der Düne lag ein kleiner Ferienort. Die Uhr zeigte viertel nach neun an und das Portemonnaie leider nur noch 4 Euro Guthaben. Da weit und breit keine Bank in Sicht war gab es dort also auch kein Abendessen für mich. Und zu meinem Entsetzen auch keine Straße, die nach Osten führte. Musste ich etwa wieder am Strand zurück? Ich ging erst mal zur Hauptstraße, die ins Inselinnere führte. Eine Bushaltestelle ließ mich hoffen, aber der letzte Bus fuhr bereits um halb neun.
An der Haltestelle hing dafür eine Wanderkarte. Daran konnte ich ablesen, dass der Ferienort Lobbe hieß, aber Göhren war nicht darauf verzeichnet! Wie weit war ich da eigentlich gelaufen? Google sagt 3,5km. Nicht schlecht… Zu meiner Erleichterung entdeckte ich auf der Karte auch, dass es einen Wanderweg parallel zum Meer gibt.
Von Göhren nach Lobbe sind es 3,5km – zum Glück gibt es einen Weg parallel zur Küste
Sofort machte ich mich auf und wanderte so zügig, wie es meine Flip-Flops erlaubten nach Göhren. Der Wanderweg entpuppte sich als ausgebaute Anwohnerstraße, die an diversen Ferienwohnungsanlagen mit eigenem Meeres-Zugang, einer Klinik, einem Sportplatz und einem Museums-Schiff vorbeiführte.
Um kurz nach zehn erreichte ich Göhren. Auf der Hauptkreuzung standen zum Glück gleich zwei Geldautomaten. Ich zog mir etwas Geld und lief die Hauptstraße entlang. In den Restaurants saßen noch genug Menschen, so dass ich mir keine Sorgen mehr machte. Beim Italiener, bei dem ich schließlich einkehrte, musste allerdings erst der Küchen-Chef gefragt werden, ob er noch kochen mochte.
Er mochte. Ich entschied mich für hausgemachte Ravioli mit Hähnchen und Champions. Was für ein Reinfall! Die Teigtaschen und das Huhn ertranken in Sahne und die Nudeln schmeckten nicht. Was für eine Schande. Ich hätte doch ins Fisch-Restaurant gehen sollen, bin ja schließlich am Meer. Aber der Hunger trieb’s rein und ich ließ nur die Soße auf dem Teller.
Im Dorf-Diskokeller gab’s eine 90’s-Party. Lust hätt ich schon gehabt, aber die Müdigkeit siegte. Morgen soll’s Karaoke geben, das schau ich mir vielleicht mal an. Ich überlegte kurz, ob ich mir beim Italiener noch eine Flasche Wein holen sollte, aber ich habe weder einen Korkenzieher noch Lust, so ein schlechtes Restaurant auch noch zu unterstützen.
So bin ich jetzt wieder auf meinem Zimmer und hab mir den Wecker auf kurz vor neun gestellt. Noch ein bisschen Lesen und dann schlaf ich bestimmt wieder schnell ein.