Gestern wurde im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Mit Spannung erwarteten alle Parteien die erste Hochrechnung und um 18 Uhr gab es dann wie gewohnt Gewinner und Verlierer an der Saar. Die CDU jubelte, weil ihre Spitzenkandidatin mit sicherem Vorsprung nun erneut Ministerpräsidentin werden kann. Die SPD ging mit gemischten Gefühlen in den Abend, weil man zwar sein Ergebnis verbessern konnte, aber wieder nicht die stärkste Kraft im Saarland wurde.
Schlechter hingegen fiel das Ergebnis der Linken aus. Mit 16,1% lag man über 5% schlechter als bei der letzten Wahl. Gar desaströs wurde es für die FDP. Gerade einmal 1,2% und damit deutlich weniger Stimmen als die Familienpartei (1,7%) sorgten für lange Gesichter bei den Anhängern. Und auch die Grünen mussten lange zittern bis sie die Gewissheit hatten, mit 5,0% und damit mit zwei Abgeordneten im zukünftigen Landtag zu sitzen.
Vergleich der Landtagswahlen 2009 und 2012 (Quelle: Wahlleiter Saarland)
Die Kameras fingen Gesichter ein, Reporter suchten Interviewpartner und in den Wahlstudios diskutierte man über die Ergebnisse und spekulierte schon einmal, wer denn nun jetzt mit wem und mit wem nicht usw… Die einen fühlten sich als Sieger, andere als Sieger der Herzen und die Verlierer suchten die Schuld beim politischen Gegner.
„Same procedure as every year, James.“
Aber all diese Bilder und Worte können über eins nicht hinwegtäuschen: Die Politikverdrossenheit nimmt weiter zu. Die Wahlbeteiligung sank innerhalb von drei Jahren von 67,6% auf nur mehr 61,6%. Zieht man hiervon noch die 2,1% (!) ungültigen Stimmen ab, die man bei einer Wahl mit einer Stimme durchaus als Protest werten kann, sind wir bei deutlich unter 60%. Und das bei einer Landtagswahl!
Verteilung der Stimmen aller Wahlberechtigten (Quelle: Wahlleiter Saarland)
Selbst eine große Koalition aus CDU und SPD kann mit 70% der Sitze im Landtag nicht die Mehrheit der Bevölkerung vertreten. Sie kommt nur auf 39,8% der Stimmen aller Wahlberechtigten. Größte (außerparlamentarische) Fraktion bleibt der Nichtwähler mit 39,7%. Wenn man bedenkt also in etwa so stark wie die große Koalition. Das sind noch einmal 6% mehr als 2009, als 33,5% der Wähler zu Hause blieben oder ungültig wählten.
Absolute Stimmengewinne und Verluste (Quelle: Wahlleiter Saarland)
Ich könnte heulen während ich diese Analyse schreibe, gäbe es da nicht einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Eine Partei, die den Bürger mitnimmt. Eine Partei, die nicht heuchelt, dass sie alles regeln könne, sondern den Bürger nach seiner Meinung fragt. Nicht nur, wenn es im Wahlkampf um seine Stimme geht, sondern immer, 365 Tage im Jahr. Und diese Meinung vor allem auch ernst nimmt.
Natürlich rede ich von der Piratenpartei. Von wem denn sonst. Von ihren sensationellen 7,4% waren rund 2% (28% der Piratenstimmen) Stimmen von ehemaligen Nichtwählern. Etwa 10.000 Menschen, die 2009 zu Hause geblieben sind, sind also diesmal wählen gegangen. Für die Piraten. Laut der Tagesschau waren die Piraten nämlich die einzigen, die diese Menschen überzeugen konnten. Alle anderen Parteien verloren Wähler an die Politikverdrossenheit – selbst die SPD, die insgesamt ein leichtes Stimmenplus erzielen konnte.
Aber was bedeutet es, dass die Piraten die Nichtwähler erreichen können?
In erster Linie natürlich, dass die Piraten weiterhin erfolgreich bleiben und zukünftig noch erfolgreicher werden könnten. Im Mai stehen die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen an. Die Umfragen sehen die Piraten in beiden Ländern stabil über 5%, Erfolge gelten also als wahrscheinlich und können einen Trend für die Bundestagswahl 2013 einleiten.
Zum anderen aber auch – und das hoffe ich wirklich! – dass die anderen Parteien sich für die Ideen der Piraten öffnen werden. Diese Ideen liegen aber nicht bei den Themen, wie z.B. Netz-, Sozial- oder Finanzpolitik. Jede Partei ist schließlich fähig, zu den einzelnen Themen Positionen zu finden, hübsche Flyer zu drucken und damit um die Gunst der Wähler zu buhlen.
Liebe Altparteien und Medien: Der Erfolg der Piraten liegt nicht bei den Inhalten! Der Erfolg liegt im Gesamtkonzept oder wie wir sagen: „Im Betriebssystem.“
Die Menschen können bei uns Politik machen und Spaß dabei haben. Auf jedem Stammtisch, bei jedem Arbeitstreffen, auf all unseren Parteitagen kann und darf jeder Bürger mitreden und seine Ideen einbringen. Bei einem gepflegten Bier, bei einer erfrischenden Mate, bei Schnitzel und Pommes. Ohne Einstiegshürde, ohne Parteibuch.
In den vielen (hauptsächlich kommunalen) Parlamenten, in denen Abgeordnete der Piratenpartei sitzen, wurden Anträge gestellt, um die politische Arbeit in den Ausschüssen, Gremien und im Plenarsaal transparenter zu gestalten. Live-Ticker, Radio- und Videoübertragungen sind mittlerweile an vielen Orten verfügbar, auch wenn es oft viel Überzeugungsarbeit gekostet hat und nicht alle Abgeordneten mit der neu geschaffenen Offenheit einverstanden sind.
Die Politik wandelt sich. Sie muss sich wandeln, sonst schaufelt sie sich ihr eigenes Grab. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich Mensch und Politik weiter voneinander entfremden. Politik darf sich in den Köpfen der Menschen nicht als bloße Bürokratie, als verstaubte Verwaltung von Menschen einbrennen. Politik muss Sprachrohr für die Bedürfnisse der Menschen sein. Politik muss menschlich sein. Mit Fehlern, mit Unvollkommenheit. Wandelbar.