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Das „wahre“ Zentrum

Gestern hab ich einen Gammeltag eingelegt. Ich hab lange geschlafen und das Frühstück ausfallen lassen. Mena und Lorenzo waren bei seiner Mutter, weil ihre Haushälterin sonntags frei hat. Ich hab mir ein paar Nudeln mit Hackfleischbällchen gemacht, und diese auf der Terrasse verspeist. Nach dem Essen hat meine Familie angerufen. Wir haben über eine halbe Stunde telefoniert und die neuesten Neuigkeiten ausgetauscht. Schön, dass es in Deutschland auch endlich richtig Sommer wird. Von vier bis sechs bin ich in meinem Zimmer verschwunden und hab gelesen und geschrieben (Tagebuch und Rollenspiel).

Zwischendurch schrieb ich ein paar SMS mit Francesco. Ich hab noch nicht raus gefunden, was eine Nachricht kostet, aber der Minutenpreis ins Festnetz und in alle italienische Mobilfunknetze liegt selbst mit der Prepaid-Karte nur bei 19 Cent/Minute; da kann ne SMS nicht viel kosten, zumal die Italiener recht viel schreiben. Obwohl das die Deutschen auch tun, und bei uns kosten SMS bis zu 39 Cent das Stück! Jedenfalls haben wir uns dann um halb sieben in der Stadt getroffen, haben ein Bierchen zusammen getrunken und einen Spaziergang durch das „wahre“ Zentrum gemacht. So nennt Francesco die etwas weniger Touristenbelastete Innenstadt auf der Südseite des Arnos. (Die meisten Sehenswürdigkeiten und die historische Altstadt befinden sich auf der Nordseite) Wir beide kommen sehr gut miteinander aus. Francesco sagt, dass ich ihm sehr gut tue. Seine Exfreundin hat ihn erst vor kurzem verlassen, da ist er um die Ablenkung froh, die er hat, wenn er mir Italienisch beibringt oder ich ihm Deutsch. Bis jetzt sieht das so aus: Entweder wir sprechen Italienisch. Dann korrigiert er mich und sagt mir ggf. die entsprechende Regel, wenn ich einen Fehler mache, oder er nennt mir eine Vokabel, wenn ich nicht weiter weiß. Oder aber wir sprechen Deutsch, dann läuft es genau anders herum ab. So wird das Lernen nie langweilig. Jetzt weiß ich auch was der Unterschied zwischen un passero (ein Spatz) und una passera (eine Mö**) ist. Aber das ist nicht ganz jugendfrei! Und die nennen hier einen Platz „Piazza della Passera“. Pfui Geier, des will ich gor nich wissen! Ja, pfui Geier, äh öh! (sagt der Ulkbär)

Dann musste ich mich auch schon sputen, denn um acht musste ich bei der Bruna zum Abendessen sein. Weil ich doch ein bisschen spät dran war, und ich die vier (Bruna, Mario, Mena, Lorenzo) nicht warten lassen wollte, rief ich von unterwegs an. Ich lauf ja hier überall zu Fuß hin – in den nächsten Tagen werd ich mir ein Fahrrad organisieren! Aber die Mena meinte nur, ich solle mir keine Sorgen machen, und der Anruf wäre doch gar nicht nötig gewesen, das Essen sei ja eh noch nicht fertig. Also es gab: frische Gurken und Tomaten, panierte Zucchini-Blüten, Schnitzel Wiener Art, dazu grüne Bohnen und Kartoffeln, als Nachtisch Obst (lecker Ananas und Melone) und Eis. Aber was für Eis! Feinste Pralinés von De Medici al gusto Pistacchio, Peperoncino (ja, wirklich), Cassata, Cioccolato, Fior di Latte… Schade, dass ich euch davon keine mitbringen kann! Und dazu natürlich Caffè und hausgemachten Limoncello. À propos hausgemachter Limoncello: Am Mittwoch kommt die Bruna hierhin und wir machen zusammen mit der Mena ein paar Liter von dem herrlichen Gesöff. Und davon werde ich definitiv ein Fläschchen mitbringen. Wie ihr euch denken könnt, ging das Ganze ein paar Stündchen und so kamen wir erst gegen halb eins wieder zu Hause an. Und von der aufregenden letzten Nacht erzähl ich später…

Cascine

Sie wollte es so. Bei mir darf jeder machen, was er will. Sie hat es selbst so gewollt. Da kann ich auch nichts für. Jetzt ist sie tot.

Letzte Nacht nach dem Schreiben lag ich ganz unbedarft im Bett und hatte so das Buch in meinen Händen, da spürte ich plötzlich einen kaum wahrnehmbaren Schmerz auf dem rechten Oberschenkel. Geistesgegenwärtig haute ich zu und erwischte das Miststück voll auf die Zwölf. Die angebliche Kapitulation war wohl nur eine Finte gewesen, um mich in Sicherheit zu wiegen. Eine Nacht Ruhe und dann: Hinterhältiger Angriff, ganz unsportlich. Aber ich bin da schließlich kein Anfänger mehr. So nicht! Nicht mit mir!

Heute hat mich mein innerer Wecker (ist kein Witz) wieder pünktlich um zwanzig nach zehn aus den Federn geholt. Nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse – Schoko-Müsli mit Pfirsichen, Nuti-Brot, Marmeladen-Croissant und Milchkaffee – schaffte ich es dann auch mal vor der Mittagspause aus dem Haus. Der Himmel war ein wenig bewölkt, aber die Mittagshitze drückte trotzdem ganz schön. So kam ich schon halb durchgeschwitzt um halb Eins im Centro TIM an, und konnte mir endlich eine Prepaid-Karte fürs Handy kaufen. Also, ab jetzt bin ich tagsüber (ab zwanzig nach zehn) unter folgender italienischer Nummer erreichbar:

0039-339-8859927

Die deutsche Karte werde ich nur noch abends einlegen, um eventuelle SMS zu lesen.

Die eine Stunde außer Haus hatte mich schon so müde gemacht, dass ich mich erstmal wieder in der dunklen, kühlen Wohnung verkroch, um ein bisschen am Rollenspiel zu arbeiten. Ich hab eben in den Nachrichten mitbekommen, dass das wohl der Scirocco-Wind ist, der so auf Italien drückt. In Sizilien haben sie schon fast vierzig Grad tagsüber! Aber die Mena hat es echt raus, die Wohnung kühl zu halten. Die macht morgens schon alle Fenster zu und die Rollläden runter, so dass die Sonne gar keine Chance hat, mit ihrer Wärme ins Innere zu gelangen. So haben wir hier auch mittags noch angenehme 24-25 Grad. Ich hab heute mitbekommen, dass es in Köln wohl wieder am regnen ist. Tja, perfekt geht wohl nie. Hier zu heiß, zu Hause regnet‘s. Verrückte Welt!

Heute Nachmittag bin ich wieder in die Cascine gepilgert. Diesmal nicht im Jogging-Dress sondern mit Handtüchern, Picknick, Musik, Buch und Ringbuch bewaffnet. Auf dem Weg hab ich noch versucht, nen APS-Film zu kaufen, aber der Fotoladen um die Ecke hatte nur die herkömmlichen, und in die Stadt wollte ich nicht laufen. Na, da werd ich wohl morgen früh noch schnell in die City flitzen, bevor mich der Francesco abholt. In den Cascine suchte ich mir dann ein schönes sonniges Plätzchen am Arno-Ufer, wo ich ungestört lesen und schreiben konnte. Na ja, so richtig ungestört war ich nicht. Immer wieder krabbelte und kroch es auf mir herum und ich nahm noch ein paar weitere kleine, juckende Insektenstiche mit nach Hause. Zum Glück haben Mena und Lorenzo ne gute Anti-Juck-Creme im Bad stehen.

In den Cascine blieb ich bis um Sieben, dann ging ich doch noch kurz in die Stadt, aber ein viel versprechender Fotoladen hatte schon zu und ein anderer hat wegen Ferien geschlossen. In der Hauptsaison? Viel mehr gab‘s heut nicht. Zum Abendessen hat die Mena lecker Omelette mit Mozzarella gemacht und Argentinien hat 6:0 gegen Serbien-Montenegro gewonnen. Morgen fahr ich mit Francesco ans Meer. Da freu ich mich schon riesig drauf. Und morgen Abend gibt‘s Italien gegen die USA garantiert auf Großleinwand!

Francesco

Ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Heute war echt ein erlebnisreicher Tag. Eigentlich wollte ich von den vielen Schwulen in den Cascine erzählen, aber dann saß so einer beim Abendessen direkt neben mir und wird mir in den nächsten vier Wochen Italienisch beibringen! Na gut, ich mach das ganze mal ein bisschen chronologisch!

Gestern Abend habe ich mich also auf den Weg zur versprochenen Großleinwand gemacht. War leider wieder Fehlanzeige. Auf dem Platz vor Santo Spirito gab es nur eine Bühne für Live-Musik. Hm, nicht so ganz, was ich gesucht hatte. Aber auf dem Weg dorthin lief ich an einem Irish Pub vorbei, das das Spiel zeigte. Das war nur ein paar hundert Meter entfernt, direkt zwischen Ponte Vecchio und Santo Spirito und nannte sich verheißungsvoll “Friends“. Das Bier gab es allerdings nicht zum Freundschaftspreis, sondern 0,4 Liter für unsportliche 4,50€. Da musste ich erst einmal schlucken. Ich stellte mich an einen Tisch zu einem Pärchen so um die dreißig, die, wie sich herausstellte, aus Polen kamen und gut deutsch sprachen. Im Laufe des Spiels merkte ich schnell, dass die anderen Trinkgenossen alle fast ausschließlich aus Deutschland kamen. Selbst das Pärchen an meinem Tisch wohnt in Hannover. Na ja, die Armen mussten in der letzten Minute alle WM-Hoffnungen der Polen platzen sehen. Und das obwohl der polnische Torwart doch so gut gehalten hatte und so ein drei oder sogar vier zu null verhindert hatte. Nach dem Spiel war dann leider mein Kleingeld ausgegeben. Ich nehme immer nur ein paar Euro mit in die Stadt, weil ich doch ein bisschen Respekt vor Taschendieben hab. Die Stadt ist schon ziemlich voll von Menschen – ist schließlich gerade Hauptsaison – und da muss man ein wenig vorsichtig sein. Von den anderen Deutschen hab ich erfahren, dass auf dem Piazzale Michelangelo hoch über der Stadt wohl tatsächlich eine Großleinwand stehen soll. Na, ich bin gespannt!

Mena und Lorenzo waren gestern Abend im Theater und kamen erst recht spät, sogar nach mir zurück, obwohl heute in Italien kein Feiertag war. Die Mücke hat gestern aus dem Waffenstillstand scheinbar eine bedingungslose Kapitulation gemacht. In der Nacht gab es jedenfalls keine Zwischenfälle mehr. Erst heute Abend auf der Terrasse wurde ich erneut gestochen. Mein innerer Wecker funktioniert prima. Obwohl die Sonne schon ziemlich früh von der Terrasse in mein Zimmer scheint, weckt er mich erst so gegen zehn, halb elf. Eine perfekte Zeit, um aufzustehen. Heute hab ich mir zum Mittagessen ein paar Tortiglioni mit Menas leckerer Tomatensoße von gestern Abend gemacht und auf der Terrasse mit angenehmem Chill- House verdrückt. Lorenzo kam schon so gegen zwei von der Arbeit und fuhr kurz darauf weiter zu seiner Mutter, die schon 93 Jahre alt ist (!) und ab und zu ein bisschen Hilfe gebrauchen kann. Die Mittagshitze hier ist einfach unerbärmlich, und so blieb ich dann auch bis kurz vor vier in der Verhältnismäßig kühlen Wohnung und schrieb ein bisschen für unser Rollenspiel.

Ich hatte mir vorgenommen, heute eine Prepaid-Karte von der italienischen Telekom für mein Handy zu kaufen, weil meine Eltern die auch von denen haben, aber das war leider nicht so ganz einfach. Die kleinen Läden hatten alle von eins bis um vier Mittagspause, aber so genau mit der Zeit nimmt das hier niemand, und so hatten die Geschäfte alle um kurz nach vier noch geschlossen. Da es aber noch viel zu heiß zum draußen warten war, ging ich in den großen Oviesse an der Piazza hier im Viertel, der keine Mittagspause macht, und schaute mir ein paar Oberteile an. Eigentlich wollte ich mir noch nichts kaufen, weil ich ja noch ein bisschen hier bin, aber da gab es ein Hemd, das musste ich einfach anprobieren, und so bin ich froh, dass ich mit zwei nicht ganz vollen Taschen angereist bin. Da wird sicherlich noch mehr folgen. Um viertel nach Vier hatten dann die Läden auf, nur leider verkaufte der eine Telefonladen nur Vodafone und der zweite nur Wind, aber die Dame sagte mir zum Glück, wo ich einen Laden finden würde, der auch TIM (Telecom Italia Mobile oder so ähnlich heißt das) verkauft. Aber der hatte leider auch um kurz vor halb fünf noch nicht offen, und so kaufte ich mir eine Flasche Cola im Tabacchi nebenan und wartete in der immer noch prallen Sonne auf den Ladenbesitzer. Als der halbe Liter bereits wieder ausgeschwitzt, der werte Herr um kurz vor fünf immer noch nicht anwesend und meine Füße schon von Verbrennungen fünften Grades gezeichnet waren, entschloss ich mich dann doch, wieder nach Hause zu gehen.

Meine Tante, die inzwischen auch von der Arbeit gekommen war, nahm mich mit zum Einkaufen in den COOP um die Ecke. Dort kauften wir die Zutaten für den Festschmaus heute Abend und ein paar Köstlichkeiten für mich: Schoko-Müsli, gefüllte Croissants und Nutella fürs Frühstück. Im COOP haben die ein interessantes System. Wenn man sich registrieren lässt, kann man am Eingang ein kleines Gerät ausleihen, mit dem man die Waren direkt beim Einladen in den Einkaufswagen scannt. So sieht man direkt, wie viel man zahlen muss und an der Kasse gibt man einfach das Gerät ab und zahlt den Einkauf, den man bequem im Wagen lassen kann. Kontrolliert wird das wohl nur durch Stichproben.

Nach dem Einkauf bin ich dann zum ersten Mal Laufen gegangen. Mena hatte mir hierfür die Cascine empfohlen, ein großer Park direkt am Arno und ca. 3 km von der Wohnung hier entfernt. Die Cascine sind ein bekannter Treffpunkt für Homosexuelle, und so liefen mir dutzende gut gebaute, absolut stylische junge Bengel entgegen, die hier scheinbar auf Beutezug waren. Na ja, vielleicht waren die nicht alle schwul, und das ist nur ein italienisches Phänomen, denn selbst die vielen Frauen, die sich dort sportlich betätigten waren im neuesten Trend. Überall sah man nur Muskelshirts (wenn überhaupt), bauchfreie Sport-Tops, hochgebundene Sporthosen, MP3-Player um den Oberarm und wirklich jeden zweiten Sportler mit Handy in der Hand oder Bluetooth im Ohr am Telefonieren. Unglaublich! Da bin ich als Normalo richtig aufgefallen, mit 0-8-15- Laufdress und vier Jahre altem MiniDisk-Spieler. Und ein Tempo hatten die drauf! Selbst die alten Opas (auch größtenteils mit Handy) zogen mich locker ab. Na gut, die sind wahrscheinlich auch die Hitze gewohnt, die trotz sieben Uhr abends immer noch über den Straßen flimmerte.

Bruna (die Cousine meines Vaters) und Mario (ihr Mann), die heute zum Abendessen kamen, wohnen direkt gegenüber den Cascine am anderen Arno-Ufer. Mena hatte arrangiert, dass ich nicht durch die versmogte Stadt zurücklaufen musste und von den beiden mitgenommen wurde. So war ich das erste Mal bei ihnen zu Hause und genoss eine kühle Dusche mit Arno-Blick. Wirklich sehr nette Wohnung….

Ich merke schon, heute wird‘s viel!

Zur Cena kam auch noch Francesco, der junge Mann, der mir in den nächsten Wochen Italienisch beibringen wird. Moment, habe ich junger Mann gesagt? Der ist ja schon ein alter Sack. Ich dachte, der wär‘ ein Student! Dabei ist er ein ehemaliger Arbeitskollege von der Bruna und fast genauso alt. Na, die beiden verstehen sich jeweils prächtig. Meines Erachtens ist er hochgradig schwul und erinnert mich stark an einen Professor des Bauingenieurwesens in Köln. Aber ich will mich nicht beschweren, der macht ‘nen sehr sympathischen Eindruck. Am Samstag will er mich mit ein paar seiner Freunde ans Meer mitnehmen und danach mit uns Italien auf Großleinwand gucken. Klingt doch gut.

So saßen wir sechs also auf der Terrasse mit Domblick (Nee, nee Marie, ist das nicht schön! … Fehlt bloß noch vom Balkon, die Aussicht auf den Dom) und ließen es uns gut gehen. Bruna hatte den Primo Piatto „Pasta con Sugo alle Verdure“ mitgebracht, und Mena den Secondo „Schnitzel e Fenchel fritti con Zucchine al forno“ und den Terzo „Pesce à vino biancho e torta di fragole“ vorbereitet. Dazu gab‘s Vino Rosso und hinterher einen Limoncello und einen Caffè. In Italien gehört Essen zum Leben dazu und man isst nicht einfach irgendwie. Selbst gestern beim Abendessen zu dritt fragte mich die Mena, ob ich wirklich schon nach dem Primo Piatto (Pasta) genug hätte und war erst zufrieden, als ich noch etwas Mozzarella und Salame gegessen hatte. Als ob in Deutschland jemand fragen würde, ob man wirklich schon nach den Nudeln genug hätte und ob man den Hauptgang wirklich verschmähen wollte.

So sieht‘s aus! Jetzt hab ich fast zwei Stunden geschrieben und es ist schon Freitag. Noch ein bisschen Lesen und dann bis um zehn pennen. Ich freu mich auf die kommende Zeit! Gute Nacht!

Ankunft in Florenz

Der erste Tag! Gestern Abend bin ich in Pisa angekommen. Wie der Pilot prophezeit hatte, war es dort recht frisch. Windige 20 Grad wehten mir am Flughafen entgegen. Da bekam ich gleich Angst, meinen einzigen Pullover einem vierwöchigen Härtetest unterziehen zu müssen. Nach einer Stunde Zugfahrt in Florenz angekommen konnte ich diesen Gedanken allerdings schnell wieder verwerfen. Die Hitze der Großstadt traf mich wie ein Schlag, als ich aus dem klimatisierten Zug ausstieg. Am Bahnhof warteten schon Mena und Lorenzo auf mich. Als wir so durch die Stadt fuhren, merkte ich gleich, welche baulichen Veränderungen es in der letzten Zeit auf den Florentiner Straßen gegeben hat.

Obwohl ich fast schon zwei Jahre nicht mehr in Florenz war, fühle ich mich hier wie zu hause. Die Wohnung, das Gästezimmer, die Terrasse auf der ich heute gefrühstückt habe und das ganze Leben hier sind mir schon jetzt sehr vertraut. Auch mit meinem Italienisch klappt es besser als erwartet. Aber meine Tante gibt sich ja auch wie immer große Mühe mich zu verstehen und langsam und deutlich zu sprechen, so dass ich sie auch verstehen kann. In der Stadt war das schon etwas schwieriger.

Heute habe ich natürlich erst einmal lange ausgeschlafen. Gestern war ich so müde, dass ich gleich nach dem Brasilien-Spiel und einem kurzen Telefonat mit meiner Familie ins Bett gegangen bin. Meine Tante hatte mich noch vor Stechmücken gewarnt – sehr wohl erinnerte ich mich an den vorvergangenen Sommer, da war auch schon ein Biest in meinem Zimmer. Als ob sie mitbekommen hätte, dass süßes deutsches Blut eingetroffen war, stürzte sie sich unerbärmlich auch meine zarte, noch ungebräunte Haut und stach mich viermal bevor ich gegen Mitternacht vom Juckreiz erwachte. Zweimal entdeckte ich das Miststück, verfehlte es aber beide Mal mit den Händen. Den Schlappen traute ich mich nicht zu benutzen. Nebenan schliefen schließlich meine Gastgeber und letztes Mal hinterließ ich schon einen schönen Abdruck an der Wand. So einigten wir uns auf einen Waffenstillstand und ich konnte ungestochen bis um Elf ausschlafen. Aber ich schwöre, ich werde dich töten!

Nach einer frischen Dusche (Warmwasser kommt immer noch nur in Schüben) richtete ich mich erstmal in meinem Zimmer ein. Bisher war ich hier immer nur im Urlaub, jetzt werde ich auch mal den Alltag mitmachen. Gegen zwölf kam die rumänische Putzfrau mit ihrer Tochter. Die war ein bisschen unsicher in meiner Gegenwart, und so mache ich mir einen leckeren Cappuccino (der schmeckt hier irgendwie immer besser als in Deutschland, obwohl ich exakt die gleichen Zutaten benutze) und ein kleines Frühstück, das ich in der prallen Mittagssonne auf der Terrasse mit Blick auf die Altstadt inklusive Dom und Uffizien genoss. Um die beiden nicht weiter zu stören, machte ich eine kleine Runde hier im Viertel und kaufte ein paar Kleinigkeiten. Danach machte ich mich auf den Weg in die Stadt, um eine Bar aufzutreiben, die das Spanien-Spiel zeigt. Hier scheinen nur ein paar wenige Spiele im öffentlichen Fernsehen übertragen zu werden. Die anderen Partien laufen nur im Pay-TV. Aber Bar mit Fußball war in der Altstadt absolute Fehlanzeige. Erst als ich wieder fast zu Hause war, entdeckte ich eine kleine Bar hier im Viertel, die einen großen Fernseher aufgestellt hatte. Aber da hatte Spanien schon alle vier Tore geschossen. Aber so hatte ich einen schönen zweistündigen Spaziergang durch das heiße Florenz und ein Stück leckere toskanische Pizza Prosciutto. Also an alle WM-Muffel: Ab nach Florenz mich besuchen kommen!

Gerade sind Mena und Lorenzo von der Arbeit wiedergekommen, während ich bei Café del Mar- Musik an Menas Laptop sitze und diese Zeilen schreibe. Jippie, das Deutschland-Spiel wird an der Piazza Santo Spirito auf Großleinwand übertragen! Also, DFB-Trikot an und Klinsis Jungs anfeuern. G‘winne welle!