Cascine

Sie wollte es so. Bei mir darf jeder machen, was er will. Sie hat es selbst so gewollt. Da kann ich auch nichts für. Jetzt ist sie tot.

Letzte Nacht nach dem Schreiben lag ich ganz unbedarft im Bett und hatte so das Buch in meinen Händen, da spürte ich plötzlich einen kaum wahrnehmbaren Schmerz auf dem rechten Oberschenkel. Geistesgegenwärtig haute ich zu und erwischte das Miststück voll auf die Zwölf. Die angebliche Kapitulation war wohl nur eine Finte gewesen, um mich in Sicherheit zu wiegen. Eine Nacht Ruhe und dann: Hinterhältiger Angriff, ganz unsportlich. Aber ich bin da schließlich kein Anfänger mehr. So nicht! Nicht mit mir!

Heute hat mich mein innerer Wecker (ist kein Witz) wieder pünktlich um zwanzig nach zehn aus den Federn geholt. Nach einem ausgiebigen Frühstück auf der Terrasse – Schoko-Müsli mit Pfirsichen, Nuti-Brot, Marmeladen-Croissant und Milchkaffee – schaffte ich es dann auch mal vor der Mittagspause aus dem Haus. Der Himmel war ein wenig bewölkt, aber die Mittagshitze drückte trotzdem ganz schön. So kam ich schon halb durchgeschwitzt um halb Eins im Centro TIM an, und konnte mir endlich eine Prepaid-Karte fürs Handy kaufen. Also, ab jetzt bin ich tagsüber (ab zwanzig nach zehn) unter folgender italienischer Nummer erreichbar:

0039-339-8859927

Die deutsche Karte werde ich nur noch abends einlegen, um eventuelle SMS zu lesen.

Die eine Stunde außer Haus hatte mich schon so müde gemacht, dass ich mich erstmal wieder in der dunklen, kühlen Wohnung verkroch, um ein bisschen am Rollenspiel zu arbeiten. Ich hab eben in den Nachrichten mitbekommen, dass das wohl der Scirocco-Wind ist, der so auf Italien drückt. In Sizilien haben sie schon fast vierzig Grad tagsüber! Aber die Mena hat es echt raus, die Wohnung kühl zu halten. Die macht morgens schon alle Fenster zu und die Rollläden runter, so dass die Sonne gar keine Chance hat, mit ihrer Wärme ins Innere zu gelangen. So haben wir hier auch mittags noch angenehme 24-25 Grad. Ich hab heute mitbekommen, dass es in Köln wohl wieder am regnen ist. Tja, perfekt geht wohl nie. Hier zu heiß, zu Hause regnet‘s. Verrückte Welt!

Heute Nachmittag bin ich wieder in die Cascine gepilgert. Diesmal nicht im Jogging-Dress sondern mit Handtüchern, Picknick, Musik, Buch und Ringbuch bewaffnet. Auf dem Weg hab ich noch versucht, nen APS-Film zu kaufen, aber der Fotoladen um die Ecke hatte nur die herkömmlichen, und in die Stadt wollte ich nicht laufen. Na, da werd ich wohl morgen früh noch schnell in die City flitzen, bevor mich der Francesco abholt. In den Cascine suchte ich mir dann ein schönes sonniges Plätzchen am Arno-Ufer, wo ich ungestört lesen und schreiben konnte. Na ja, so richtig ungestört war ich nicht. Immer wieder krabbelte und kroch es auf mir herum und ich nahm noch ein paar weitere kleine, juckende Insektenstiche mit nach Hause. Zum Glück haben Mena und Lorenzo ne gute Anti-Juck-Creme im Bad stehen.

In den Cascine blieb ich bis um Sieben, dann ging ich doch noch kurz in die Stadt, aber ein viel versprechender Fotoladen hatte schon zu und ein anderer hat wegen Ferien geschlossen. In der Hauptsaison? Viel mehr gab‘s heut nicht. Zum Abendessen hat die Mena lecker Omelette mit Mozzarella gemacht und Argentinien hat 6:0 gegen Serbien-Montenegro gewonnen. Morgen fahr ich mit Francesco ans Meer. Da freu ich mich schon riesig drauf. Und morgen Abend gibt‘s Italien gegen die USA garantiert auf Großleinwand!

3 Gedanken zu „Cascine

  1. Mama

    Ciao, bello!
    Das macht richtig Spaß, Dein Leben in Florenz zu verfolgen! Wie findest Du bloß die Zeit zum Schreiben?
    Ich bin gestern aus Berlin zurückgekommen (viele Grüße von Konny I.!!). Diese Reise habe ich auch sehr genossen: keine Besichtigungen oder so, sondern einfach durch die Stadt laufen und Atmosphäre schnuppern, Straßenmusik hören … und zufrieden sein, dass es NICHT so heiß war. Berlin war voller Schweden und Mexikaner, Polen, Tschechen, Angolener und weiß ich was. Es gab praktisch KEINEN Ort ohne Fußballübertragung, außer einem besetzten Haus in Kreuzberg, dass per Transpartent zur „Fußball-freien-Zone“ erklärt worden war. Selbst das (traurige) Ende vom gestrigen Italienspiel konnte ich am Kölner Flughafen mit anderen frustrierten Reisenden auf einem Bildschirm ansehen, ehe Papa mich abholen kam.
    Mach es gut! Sei lieb zu den Verwandten und grüße bitte alle! Nieder mit allen Mücken! (In dieser Hinsicht bin auch ich nicht mehr pazifistisch:) Mama

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  2. Chrissy

    Hallo André! Sitze gerade in Spich und lese dann auch endlich mal dein Reisetagebuch. Bin auch schon durch und habe mir den Rest deiner Seite angesehen. Kriegst gleich eine ausführliche E-Mail von mir, da würde sonst das Gästebuch platzen. Aber echt gut gemacht, dein Reisetagebuch! Bis gleich!

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  3. Janniboy

    So is richtig; bei Dir darf nicht jeder machen, was er will. Gib’s ihr und mach die randvoll kaputt. Hol alles Blut aus ihren Schläuchen und spritz es Dir zurück. Sehr schön, machst Urlaub. Das ist bestimmt gesund nach nem Studium, werd ich auch machen. Anne ist dieses Wochenende bei mir und wir fahren gleich auch ans Meer, nur leider ist das Wetter scheiße, dass macht mit mir was es will. Naja dann denk ich mal am Strand an dich, vielleicht schwimmen wir ja im gleichen Wasser (hä?). und der Sand kommt aus einem Stein (hä?). Also mein Bester vermisse Dich und freu mich auf ein Wiedersehen. Jan

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